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- Euro-6-Diesel
Betrug auf ganzer Linie
Auch die neuen Euro-6-Diesel überschreiten die zulässigen Schadstoff-Grenzwerte oft um ein Vielfaches
Drei Jahre nach dem Abgas-Skandal: 584 Milligramm Stickoxide (NOx) je Kilometer verursacht der Diesel-Pkw Alfa Romeo Giulia, der erst ein Jahr alt ist und eigentlich der Euro-6-Norm entsprechen soll, im Durchschnitt. Der zulässige NOx-Grenzwert von 80 Milligramm wird damit um mehr als das Sechsfache überschritten - trotz Speicherkatalysators und Dieselpartikelfilters.
Andere Dieselfahrzeuge sind kaum besser, wie Untersuchungen des Emissions-Kontroll-Instituts der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigen. Den Schadstoffausstoß von 84 Diesel-Pkw hat die Einrichtung im realen Fahrbetrieb gemessen. Das Ergebnis ist ernüchternd: »Nur 8,4 Prozent der untersuchten Fahrzeuge halten die Euro-6-Norm ein«, sagt Simon Annen von der DUH. Er hält Software-Updates für nicht ausreichend und sieht tatsächliches Minderungspotenzial bei den Stickoxiden nur in Hardware-Nachrüstungen. Zumal mittlerweile fast alle betroffenen Dieselmotoren (97 Prozent) in Deutschland ein Software-Update erhalten haben.
Selbst Bundesverkehrsminister Volker Scheuer (CSU), der eigentlich als strikter Gegner von Hardware-Nachrüstungen für alte Diesel gilt, hatte am vergangenen Freitag erstmals öffentlich in Betracht gezogen, doch über technische Lösungen nachdenken zu wollen. Mittlerweile ist Scheuer wieder zurückgerudert. Allerdings will die Politik Fahrverbote unbedingt vermeiden.
Als erste deutsche Stadt hatte Hamburg Ende Mai dieses Jahres Fahrverbote verfügt. Zwei Straßenabschnitte im Stadtbezirk Altona sind seither für ältere Dieselautos und Lastwagen zur Durchfahrt gesperrt. Auch Stuttgart und Frankfurt am Main werden ab 2019 Fahrverbote einführen müssen, sollen die Grenzwerte nicht wieder überschritten werden. Im Februar hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geurteilt, dass Fahrverbote zur Luftverbesserung prinzipiell zulässig sind, wenn andere Maßnahmen versagen. In insgesamt 28 Städten klagt die Deutsche Umwelthilfe derzeit auf Einhaltung der Grenzwerte, weitere Städte sollen folgen.
Trotz der Ankündigung des Ministers erkennt der Verkehrsforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszen-trum Berlin für Sozialforschung keinen substanziellen Wandel in der Politik. »Wir erleben im Verkehrsbereich genau das, was wir schon aus der Energiewirtschaft kennen«, sagt Knie gegenüber »nd«. Autobauer hätten sich mit dem Ministerium und der IG Metall darauf verständigt, den Diesel, so lange es nur geht, als zentralen Antrieb zu erhalten. »Um dies zu erreichen, müssen kleinere Zugeständnisse gemacht werden.« Dazu gehören aus Sicht des Verkehrsforschers die Verpflichtung zur Hardware-Nachrüstung auch bei älteren Dieseln sowie die Einrichtung einer Kommission. Knie bezeichnet das »als symbolische Politik, mit der die Verkehrswende weiterhin blockiert wird«.
Die Umwelthilfe bescheinigt der Politik ein Totalversagen. »Während die deutschen Autokonzerne im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn von 35 Milliarden Euro erzielten, bleiben elf Millionen Besitzer von Diesel-Pkw ohne funktionierende Abgasanlage im Dieseldunst stehen«, sagt DUH-Chef Jürgen Resch. Neben Fahrverboten drohe den Besitzern ein massiver Wertverlust. Verkehrsforscher Knie ergänzt: »Wenn man noch hinzunimmt, dass mehrere Modelle deutscher Hersteller, die den seit September geltenden WLTP-Standard als Voraussetzung für die Typenzulassung nicht geschafft haben und damit praktisch unverkäuflich sind, dann muss man von einem im großen Stil vorgenommenen, systematisch organisierten Betrug ausgehen, der in der deutschen Nachkriegsgeschichte seinesgleichen sucht.«
Vor drei Jahren, am 18. September 2015, flogen die Manipulationen auf. Die US-Umweltbehörde EPA machte die illegalen Abschalteinrichtungen, die der Volkswagen-Konzern auf dem Prüfstand einsetzte, öffentlich. Eine Software erkannte, dass sich das Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand befindet, und erhöhte die Leistung der Abgasreinigung, so dass die Grenzwerte im Test eingehalten wurden. Auf der Straße war die Abgasreinigung dagegen häufig ausgeschaltet, was den hohen NOx-Ausstoß der Dieselfahrzeuge erklärte. Wenige Tage nach Bekanntwerden der Betrügereien räumte VW-Chef Martin Winterkorn die Manipulation ein und musste seinen Posten räumen.
Schon 2010 hatte die Umwelthilfe nach eigenen Angaben bei Tests festgestellt, dass auch hierzulande die Vorschriften nur im Prüfzyklus eingehalten werden. Die DUH bat das Verkehrsministerium um ein Gespräch, doch das Treffen mit dem damaligen Staatssekretär Scheuer im Mai 2010 blieb offenbar ergebnislos. Ebenso ein Gespräch auf Arbeitsebene zwischen dem Verkehrsministerium, dem Kraftfahrt-Bundesamt und der Umwelthilfe, die die Behörden zu Kontrollen aufforderte. Bis zum Auffliegen des Dieselskandals im Jahr 2015 gab es keine Kontrollen.
Der ungebremst hohe Schadstoffausstoß der Diesel-Pkw ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass in vielen Städten die geltenden Luft-Grenzwerte beispielsweise für Stickstoffdioxid bis heute nicht eingehalten werden. Jährlich sterben europaweit etwa 5000 Menschen vorzeitig durch die Emissionen von Dieselfahrzeugen im Straßenverkehr.
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