Geteiltes Gemüse, geteiltes Risiko
Mit der zahlung einer Jahrespauschale helfen die Kunden den Produzenten, die Verluste bei Schlechtwetter zu tragen
Zwischen den Tomatenpflanzen im Folientunnel des Paradieschen Jena tropft Wasser aus dünnen Schläuchen, draußen im Freiland darben Kohlpflanzen. Hitze und Dürre hätten ihnen arg zugesetzt, sagte Rosa Gänshirt. »Einigen Schädlingen wie dem Erdfloh gefällt das Wetter richtig gut«, sagt die gelernte Gemüsegärtnerin. Die 27-Jährige streift an einem Sommertag durch die Gemüsereihen des Paradieschen, wo sie mit sechs Kollegen nach dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) Nahrungsmittel produziert. In der Landwirtschaft kann schlechtes Wetter Existenzen bedrohen. Dies zu verhindern ist eines der Ziele von Solawi-Projekten.
Auf rund 3000 Quadratmeter Fläche werden im Paradieschen vor allem Gemüse, Obst und Kräuter angebaut: unter anderem Tomaten, Auberginen, Mangold, Kartoffeln, Basilikum. Im Winter gibt es zum Beispiel Kohl, Topinambur, Spinat und Feldsalat. Die Ernte geht in dieser Saison an 32 Mitglieder des Projekts, die sich nicht nur das Gemüse, sondern auch das Risiko teilen. Denn bei der Solidarischen Landwirtschaft zahlen die Teilnehmer im Voraus für das ganze Jahr. Sie beteiligen sich mit ihrem Beitrag an den Betriebskosten.
Wenn es in diesem Jahr wegen der langen Dürrezeit weniger Kohl gibt und die Karotten kleiner als sonst sind, lasten die Ausfälle nicht auf den Schultern eines einzelnen Landwirts oder eines Betriebes, sondern alle 32 Solawi-Mitglieder müssen mit den Verlusten leben. Der Landwirt oder Gemüsebauer bekommt trotzdem sein Geld. Beim Paradieschen in Jena hat Rosa Gänshirt die fachliche Leitung übernommen - als Minijob für 450 Euro monatlich. Bezahlt wird sie von den Mitgliedsbeiträgen. Nebenher studiert sie Soziale Arbeit an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena.
Die Auswirkungen der Trockenheit halten sich ihrer Meinung nach in Grenzen, weil das Gemüse im Paradieschen bewässert wurde. Außerdem hat die Studentin eine Dammkultur angelegt. Auf einem etwas abgelegenen Feld wächst Gemüse auf kleinen Hügeln. »In den Hügeltälern sammelt sich das Wasser und kommt so besser an die Wurzeln der Pflanzen«, erläutert Gänshirt.
Alle Mitglieder bestimmen mit, was angebaut werden soll, und einigen sich darauf, wie es angebaut wird. In Jena haben sie sich für streng biologischen Anbau - jedoch gegen eine Bio-Zertifizierung entschieden. Zwischen den Tomatenreihen im Folienzelt liegen trockene Kügelchen Eselsmist. Studentenblumen sollen mit ihrem Duft Schädlinge fernhalten. »Den Mist bekommen wir von befreundeten Tierhaltern, bei denen wir auch wissen, was die Tiere fressen«, sagt Gänshirt. Von einigen Pflanzen gewinnt die 27-Jährige auch Samen, der in der nächsten Saison verwendet wird - etwa bei Erbsen oder Bohnen. Wer von den Mitgliedern will, kann auch selbst auf dem Acker mit helfen.
Für Jens Huschenbett geht es bei der Solidarischen Landwirtschaft nicht nur um das Produzieren von Nahrungsmitteln. »Im Vordergrund steht die enge Verbindung zwischen Produzenten und Konsumenten«, sagt er. Es sei wichtig, dass die Leute mitbekämen, wie die Produkte entstünden, die sie essen. »Es geht auch darum, zu zeigen, wie viel Schweiß da drin steckt«, sagt Huschenbett.
Auch der Thüringer Bauernverband hebt diesen Aspekt hervor. »Das Konzept hat positive Effekte, weil es den Verbrauchern Einblicke in die landwirtschaftliche Produktion ermöglicht und ein stärkeres Bewusstsein für Ernährung und lokale Produktionsketten schafft«, sagte Martin Hirschmann, Regionalreferent für Mittelthüringen.
Nach Angaben des Netzwerks Solidarische Landwirtschaft gibt es im Freistaat bislang zwei Solawi-Initiativen in Jena und eine in Greußen (Kyffhäuserkreis). In Erfurt bemüht sich eine Gruppe Verbraucher, einen Produzenten zu finden, während in Brotterode-Trusetal im Landkreis Schmalkalden-Meiningen ein Hof bereit ist, einzusteigen, aber bislang keine Abnehmer findet. Nach Einschätzung von Stephanie Wild vom Solawi-Netzwerk liegt die geringe Anzahl der Solawi-Initiativen in Thüringen auch an der Agrarstruktur. »Gerade in der Nähe der größeren Städte in Thüringen sind die Böden fruchtbar und damit die Preise für landwirtschaftliche Flächen hoch«, sagt Wilde. dpa/nd
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