- Berlin
- Jugendzentren Potse und Drugstore
Bezirk fordert Aufklärung nach Polizeieinsatz
Stürmung der selbstverwalteten Jugendzentren Potse und Drugstore hat politisches Nachspiel
Die LINKE hat am Montag einen Dringlichkeitsantrag in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Tempelhof-Schöneberg eingereicht und unter anderem eine Beschwerde bei der Senatsinnenverwaltung wegen der Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes gefordert.
In der Nacht zu Sonntag waren Einsatzkräfte gewaltsam in die Räumlichkeiten der Jugendzentren eingedrungen, nachdem mehrere Beschwerden wegen Ruhestörung bei der Polizei eingegangen waren. Am Wochenende hatten Potse und Drugstore ein Festival anlässlich ihres 46-jährigen Bestehens veranstaltet.
Betroffene berichteten, die Polizei sei aggressiv gegen die Jugendlichen vorgegangen. Bezirkspolitiker Martin Rutsch (LINKE) war ebenfalls vor Ort und bestätigt die Aussagen. »Es war beinahe traumatisch zu sehen, wie die Polizei die Jugendlichen aus dem Haus getrieben hat«, sagt Rutsch gegenüber »nd«. »Es war eine schlimme Situation für die Jugendlichen.« Viele seien nach dem Abzug der Beamt*innen in Tränen ausgebrochen. Die LINKE fordert psychosoziale, aber auch juristische Betreuung für die Betroffenen.
Die Unverhältnismäßigkeit des Einsatzes sei laut Rutsch eindeutig, zumal die Konzerte zu dem Zeitpunkt längst beendet waren. Dass die Innenverwaltung sich bei den Jugendlichen für den Vorfall entschuldige, sei das Mindeste.
Zu Lärmbeschwerden war es schon am Freitag gekommen. »Die Polizei reagierte da aber ganz anders«, sagt eine Mitarbeiterin des Kollektivs von Potse und Drugstore dem »nd«. Auch am Samstag waren mehrmals Beamt*innen wegen des Lärms in der Potsdamer Straße 180-182 vorgefahren. Laut Aussage von Martin Rutsch und der Kollektivmitarbeiterin sei die Polizei zu diesem Zeitpunkt noch kooperativ gewesen.
»Mit ihrem massiven Aufgebot riskierte die Polizei eine Panik und ging damit in die direkte Konfrontation«, kritisiert die Fraktion in dem Antrag das Vorgehen der Polizei vom Sonntag. Behelmte Polizist*innen sollen die Räumlichkeiten gestürmt haben, noch während der Einsatzleiter sich mit den Jugendlichen im Gespräch befand. »Ein solcher Eingriff in das Hausrecht wäre nur zur Abwehr gegenwärtiger Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit einer Person zu rechtfertigen«, sagt auch der zuständige Jugendstadtrat Oliver Schworck (SPD). Er fordert, den Vorfall »umfassend aufzuklären« und die Vertrauensbasis zwischen Jugendlichen und Polizei wiederherzustellen, um zu vermeiden, dass aus dem Schock »Unverständnis und Wut entstehen«.
Schon Anfang September berichteten Potse und Drugstore von Problemen mit dem Unternehmen rent24, das im selben Haus neuerdings sogenannte Co-Working- und Co-Living-Spaces vermietet. Rent24 soll schon häufiger wegen Ruhestörung die Polizei verständigt haben - so auch Sonntagnacht. »Wir sehen es nicht ein, diesen hausgemachten Konflikt ausbaden zu müssen«, schreibt das Kollektiv über den sich zuspitzenden Nutzungskonflikt. »Die Provokation von Polizeieinsätzen scheint für rent24 ein probates Mittel geworden zu sein, um die Jugendlichen aus ihrem Jugendzentrum zu vertreiben«, schreibt die LINKE in ihrem BVV-Antrag. Es handle sich um ein »Paradebeispiel« von Gentrifizierung und Klassenkampf. Die Partei fordert, dass rent24 und Eigentümer die Jugendzentren in Ruhe lassen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.