Auch Muttertieren droht die Kugel

Weil Schweinepest näher rückt: Niedersachsen plant schärfere Jagd auf Schwarzwild

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Matt liegt das gestern noch recht muntere Schwein in seiner Box, die Nase schimmert bläulich, das Tier hat hohe Körpertemperatur, verliert blutigen Durchfall, stirbt. Die Halter der rund acht Millionen Schweine in deutschen Ställen hoffen, dass ihnen ein solcher Anblick erspart bleibt, denn: Er kann Hinweis sein auf die Afrikanische Schweinepest (ASP). Sie ist näher gekommen, wurden doch jüngst in Belgien, nur 60 Kilometer von der Grenze zur Bundesrepublik entfernt, an fünf Wildschweinen die gefürchtete, für Menschen ungefährliche Tierkrankheit festgestellt. Besorgnis erregt das besonders in Regionen mit hohem Schweinebestand, so etwa in Niedersachsen.

Dort gibt es in Deutschland die meisten Sauen: fast eine halbe Million. »Wir haben es nun mit einer handfesten Bedrohung vor der Haustür zu tun« konstatiert Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) mit Blick auf die Meldungen aus Belgien. Prävention stehe im Vordergrund, deshalb habe sich das Land intensiv auf ein ASP-Szenario vorbereitet, auch durch gesetzliche Regelungen, die noch vom Landtag beschlossen werden müssen. Dazu gehören unter anderem einige Änderungen des Jagdrechts, die jetzt im Fachausschuss des Parlaments erörtert wurden. Ihr Ziel: mehr Wildschweine abschießen, um die Gefährdung durch ASP zu bekämpfen.

Wenn es die Lage erfordert, so soll es das Gesetz künftig erlauben, Schwarzwild auch aus dem Auto heraus zu erlegen, etwa am Rande eines Maisfeldes, über das sich die Wildschweine hermachen. Muttertiere sind im Seuchenfall nicht mehr geschützt, besagt ein weiterer Passus der Gesetzesvorlage, auch ihnen droht im Seuchenfall die Kugel.

Die Befürworter des verschärften Bejagens plädieren für die geplanten Regelungen, weil ein ASP-Ausbruch »verheerende wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe« nach sich zöge, wie es die Agrarministerin formulierte. Stark betroffen wäre der Export, produzieren doch niedersächsische Betriebe dreimal soviel Schweinefleisch wie im eigenen Land verbraucht wird. Sollte jedoch in Deutschland ASP auftreten, verböte das Ausland unverzüglich die Einfuhr alles Schweinernen.

Das Reduzieren des Wildschweinbestandes sei nicht die Lösung des Problems, meint der Deutsche Tierschutzbund. Sein Landesvorsitzender, Dieter Ruhnke, sagte während der Anhörung im Ausschuss: Verantwortlich für die Ausbreitung einer solchen Seuche sei vor allem der Mensch. Ruhnke erinnerte damit an die Gefahr, die schon durch ein Wurstbrot entstehen kann, das in einem ASP-betroffenen Land zubereitet wurde. Enthält der Aufstrich den Erreger - er überlebt auch in gefrorenem oder verarbeitetem Fleisch - kann die Stulle die Tierkrankheit einschleppen: dann etwa, wenn sie jemand nur anbeißt, an einer Raststätte wegwirft und sie Wildschweine später auffressen.

Aus den Reihen der Landtagsopposition übte die stellvertretende Fraktionschefin der Günen, Miriam Staudte, Kritik am Gesetzesentwurf. Die große Koalition betreibe unter dem Deckmantel der Seuchenbekämpfung eine Aushöhlung bestehender Tierschutzstandards, sagte sie, weil mit der Gesetzesänderung die oberste Jagdbehörde des Landes bundesweit geltende Verbote einschränken könne. Zudem könne die Neuregelung vielleicht sogar zur Ausweitung der Pest beitragen, da die Tiere auf erhöhten Jagddruck mit Flucht reagierten. Belgien habe aus diesem Grund in den betroffenen Gebieten ein absolutes Jagdverbot verhängt, berichtete Staudte.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.