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Null Toleranz gegenüber Bandenstrukturen
Organisierte Kriminalität war Thema im Innenausschuss
Der Senat will die Kräfte im Kampf gegen die sogenannte Organisierte Kriminalität weiter verstärken. »Der Schlüssel ist die Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen - und aller wichtigen Akteure«, sagte Innensenator Andreas Geisel am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Der SPD-Politiker kündigte »noch für dieses Jahr« ein Spitzengespräch zwischen Innenbehörden, dem Justizsenator, dem Bezirksbürgermeister Neuköllns sowie weiteren Akteuren an, um den Verfolgungsdruck auf die »Täter aus arabischstämmigen Strukturen« aufrechtzuerhalten. Zugleich warnte Geisel einmal mehr vor einer »Sippenhaft« für Familienstrukturen, die bis zu 1000 Menschen umfassen.
Seit Wochen geht die Polizei verstärkt mit Beschlagnahmungen und Durchsuchungen gegen kriminelle Strukturen vor. Entgegen der medialen Berichterstattungen laufen allerdings die meisten Ermittlungskomplexe gegen deutsche Staatsangehörige. Gleichwohl ist mit der Erschießung von Nidal R. auf offener Straße die Gewalt im Milieu mit ursprünglich libanesischen Wurzel derart eskaliert, dass die Politik unter großem Handlungsdruck steht.
Angesichts der Gewalteskalation schlagen auch Experten Alarm. In den Innenausschuss waren am Montag eine Reihe von Fachleuten geladen, die ihre Einschätzungen zur Organisierten Kriminalität darlegten. »Wir haben es im Bereich der Organisierten Kriminalität mit sehr gefährlichen Täterstrukturen zu tun«, warnte der Berliner Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Daniel Kretzschmar. Der Kripo-Gewerkschafter forderte einen besonderen Schutz für die Ermittler. Außerdem kritisierte er die »durchgängig angespannte Personalsituation« und die mangelhafte Ausstattung mit Technik und Know-how. An die Politik appellierte Kretzschmar, die Prioritäten auf keinen Fall an der Berichterstattung auszurichten: »Wir können nicht heute Islamismus machen, morgen Clans und übermorgen Rocker.«
Dass die Behörden allein den Kampf gegen die teilweise international agierenden Strukturen gewinnen können, bezweifelte auch Sandro Mattioli, der Vorsitzende des Vereins »Mafia? Nein, Danke!«. »Wenn wir die Organisierte Kriminalität nur als etwas sehen, was von Sicherheitskräften bekämpft werden soll, dann werden wir keinen Erfolg haben«, sagte er. Der Kampf sei eine »Querschnittsaufgabe für die gesamte Gesellschaft«. Der Vereinsvorsitzende, der sich auch auf langjährige Erfahrungen mit der italienischen Mafia beruft, schlug vor, wie in Italien mehr Energie in die Prävention zu stecken. So könnten etwa mit speziellen Aussteigerprogrammen Frauen und Jugendliche aus den kriminellen Strukturen herausgelöst werden. Außerdem sollte eine Hotline für anonyme Hinweise eingerichtet werden. Und: »Wenn wir die Organisierte Kriminalität bekämpfen wollen, müssen wir die Vermögensabschöpfung weit denken«, sagte Mattioli.
Nach italienischem Vorbild können seit einem Jahr auch hierzulande Immobilien und Vermögen beschlagnahmt werden. Es obliegt dann den Beschuldigten nachzuweisen, dass die Werte aus legalem Einkommen stammen. Die Vermögensabschöpfung ist Teil der Strategie der Ermittlungsbehörden. »Ohne Rolex-Uhr und teures Auto will man das Haus nicht verlassen - Bahnfahren ist sehr uncool«, sagte Oberstaatsanwältin Petra Leister, die eine wichtige Abteilung in diesem Bereich leitet.
Vermögensabschöpfungen und Ermittlungsdruck - darauf setzt unterdessen auch der Bezirk Neukölln. In Nord-Neukölln leben viele der kriminellen Mitglieder von Großfamilien, die ursprünglich in den 1980er Jahren wegen des Bürgerkriegs im Libanon nach Berlin geflohen waren. »Wir machen im Bezirk schon seit Jahren Einsätze im Verbund«, sagte Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD). Polizei, Ordnungsamt, Zoll, Finanzamt - Neukölln hat sogar einen eigenen »Staatsanwalt vor Ort«. »Der illegale Weg muss unattraktiv sein«, betonte Hikel. Nur so könne verhindert werden, dass bereits Kinder und Jugendliche in kriminelle Milieus abdriften.
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