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  • Kunstförderung in Dresden

Mehr Nahrung für die »wendigen Trüpplein«

Die freie Tanz- und Theaterszene in Dresden will mit vereinten Kräften eine bessere Förderung erreichen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.

Wie sieht das Theater der Zukunft aus? Jedenfalls nicht wie eine große und schwer bewegliche Karawane, wenn es nach Bertolt Brecht ginge. Dem großen Dramatiker schwebten eher »kleine wendige Truppen und Trüpplein« vor, die auf Lastwagen über Land fahren und überall auftreten sollen, sagte er 1956 in einer Rede auf dem Deutschen Schriftstellerkongress - als Chef des Berliner Ensembles, das eher Karawane als wendiger Trupp war.

60 Jahre später ist Brechts Idee Realität, sagt Alexander Karschnia. »Wir sind diese wendigen Trüpplein.« Wir - das sind Ensembles wie das von dem Theatermacher mitbegründete »andcompany & Co.« und viele andere Gruppen und Solisten der freien Szene: Menschen, die »ihre Arbeitsprinzipien frei erfinden, Räume besetzen und sich Strukturen erschaffen, wie sie es für nötig halten«, sagt Helge-Björn Meyer, der als Tanz- und Theaterdramaturg in Bremen ebenso arbeitete wie in Rio und seit April 2018 die Geschäfte des »Landesbüros Darstellende Künste« in Sachsen führt.

Wenn, wie jetzt auf einem Podium im Festspielhaus Dresden-Hellerau, Karschnia, Meyer und deren Kollegen über ihre Arbeit reden, ist viel von Unabhängigkeit die Rede: von der Möglichkeit, sich seine künstlerischen Partner frei wählen zu können; der »großen Freiheit«, schnell in gesellschaftliche Debatten eingreifen zu können; der Chance, Themen so tiefgründig auszuloten, »wie das Angestellten nie möglich wäre«, sagt die Dresdner Tänzerin Katja Erfurth, die nach sieben Jahren an der Semperoper 1997 den Sprung in die künstlerische Unabhängigkeit wagte.

Nicht ganz so oft wurde bisher über Bedingungen gesprochen, unter denen diese Arbeit stattfindet - über Einkünfte, die weit unter der vom Bundesverband Freie Darstellende Künste empfohlenen »Honoraruntergrenze« (HUG) von derzeit 2490 Euro im Monat liegen, oder über die Notwendigkeit, sich mangels finanzieller Mittel auch um alle Arbeiten jenseits des Künstlerischen selbst kümmern zu müssen. Sie sei ihre eigene Dramaturgin, Bühnen- und Kostümbildnerin, sagt Erfurth; sie müsse Anzeigen selbst schalten, sich um Plakate und Handzettel kümmern - und nicht zuletzt die Anträge auf Fördergeld selbst stellen, das für sie und ihre Kollegen existenziell wichtig ist.

Das Problem freilich ist: Die Töpfe sind schlecht gefüllt - in der Kulturstadt Dresden noch schlechter als anderswo. Der Anteil des Kulturbudgets, der für die Projektförderung der freien Szene zur Verfügung stehe, belaufe sich auf gerade einmal 0,1 Prozent des Kulturetats, sagt die Schauspielerin Julia Amme, die nach vielen Jahren in festen Ensembles seit 2010 zum Kollektiv »La Lune« in Dresden gehört. Im Jahr 2016 hätten 83 250 Euro bereitgestanden, mit denen 30 Projekte gefördert wurden. Das seien durchschnittlich 2775 Euro für jedes von ihnen. Laut HUG reicht das für eine Person für fünf Wochen. Die meisten der Projekte sind freilich auch in Dresden keine Ein-Personen-Stücke.

Amme und ihre Kollegen drängen jetzt auf bessere Bedingungen. Viele von ihnen haben in Dresden eine »Koalition Freie Darstellende Künste« gegründet; ähnliche Zusammenschlüsse gibt es laut Meyer auch in Leipzig und seit dieser Woche in Chemnitz. In Dresden wurde zudem ein Forderungspapier mit dem Titel »Zwei für Dresden« erarbeitet, dessen Kernanliegen eine Aufstockung der Fördermittel auf zwei Millionen Euro ist. So könne die Stadt auch für größere Produktionen mit mehreren Darstellern und Mitarbeitern künftig Zuschüsse in einer Höhe zahlen, die es erlauben, weitere Förderung bei Land und Bund einzuwerben, sagt Amme. Bisher sind die Zuwendungen der Stadt dafür oft zu niedrig. Zudem soll es künftig auch Recherche- und Nachwuchsstipendien geben. Es gehe den Künstlern nicht darum, »vollumfänglich ganzjährig von der öffentlichen Hand zu leben«, betont Katja Erfurth. Allerdings, fügt Helge-Björn Meyer an, »treten wir auch nicht in erster Linie an, um in Altersarmut zu enden«.

Im Rathaus trifft das Anliegen auf offene Ohren - zumindest bei der zuständigen Kulturbürgermeisterin Annekathrin Klepsch. Die LINKE-Politikerin betont zwar, dass mit dem Kulturetat insgesamt auch die Gelder für Projektförderung zuletzt deutlich gestiegen seien - gegenüber 2014 auf das Anderthalbfache. Zugleich räumt sie aber ein, dass die Fördertöpfe oft »deutlich überzeichnet« seien und Förderbeträge von wenigen Tausend Euro »eher Armutszeugnis als Dünger« für die freie Szene seien. Das aktuelle Fördervolumen bewirke, sagt Klepsch, eine »immanente künstlerische Selbstbeschneidung«.

Die gelegentlich geäußerte Erwartung, Geld bei großen Institutionen abzuzweigen - Operette und Philharmonie etwa oder den von der Stadt mitfinanzierten Bühnen des Landes wie Semperoper und Staatsschauspiel -, hält Klepsch für falsch. Diese würden in der Folge auch bei Honoraren für freie Mitarbeiter sparen, was eine »Kannibalisierung im Kulturbereich« bewirke. Die Bürgermeisterin hält es für erfolgversprechender, eine stärkere Lobbyarbeit zu betreiben - wofür die Initiative »Zwei für Dresden« ein Beispiel ist. Zugleich sei in der Kulturverwaltung ein Konzept für die Weiterentwicklung der Kulturförderung erarbeitet worden, das unter der Überschrift »Fair für Dresden« steht und nur noch der Unterschrift des OB harre, sagt Klepsch. Und auch bei der Dresdner Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt 2025 sollen die Arbeitsbedingungen der freien Szene eine wichtige Rolle spielen.

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