• Politik
  • Türkische Oppositionelle

Özdemir fordert klare Worte zur Spitzel-App

Grünen-Politiker verurteilt Spitzelsystem, in dem Nachbarn und Kollegen ausgehorcht werden / FDP-Politiker stellen Anzeige bei Generalbundesanwaltschaft

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan klarzumachen, dass Spitzeltum »in Deutschland nichts verloren hat«. Özdemir bezog sich auf eine kürzlich freigeschaltete Smartphone-App, über die türkeistämmige Menschen in Deutschland Kritiker Erdogans »denunzieren und ans Messer liefern« könnten. Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) müssten Erdogan hier klar machen: »Jetzt reicht's«.

»Was ist das für eine Haltung, das ein Spitzelsystem errichtet wird, dass die Familienangehörigen sich bespitzeln, dass man seine Nachbarn aushorcht, seine Arbeitskollegen, seine Studienkollegen«, so Özdemir weiter. Ebenso wenig hinnehmbar seien die Aktivitäten der inzwischen verbotenen Rockergruppe Osmanen in Deutschland, die hier als »bewaffneter Arm Erdogans« agierten und in Prostitution, Waffenhandel und Drogengeschäfte verstrickt seien.

Erdogan war Donnerstagmittag zu einem dreitägigen Besuch in Deutschland eingetroffen. Er soll am Freitag von Steinmeier mit militärischen Ehren empfangen und mit einem abendlichen Staatsbankett im Schloss Bellevue geehrt werden.

Özdemir will daran - anders als andere Oppositionspolitiker - trotz Kritik an der Veranstaltung teilnehmen. Zwar könne er »mir Angenehmeres vorstellen«, doch halte er es für wichtig Erdogan zu zeigen, »dass das, was er in der Türkei schafft, hier nicht funktioniert, nämlich die Opposition mundtot zu machen und aus dem Bild verschwinden zu lassen«. »Darum gehe ich da extra hin«, auch um Erdogan zu dokumentieren, dass es mit Blick auf die Türkei »sehr unangenehme Themen gibt, über die er nicht reden möchte«.

Als Beispiel nannte Özdemir, »dass es nach wie vor deutsche Geiseln in der Türkei gibt«, die von Erdogan »festgehalten werden durch seine Schergen«. Gleiches gelte neben den deutschen Inhaftierten auch »für die, die nicht das Privileg eines deutschen Passes haben, Journalisten, Politiker aus der Opposition, deren einziges Verbrechen es ist, nicht die Meinung von Herrn Erdogan zu teilen«. Der Grünen-Politiker warf dem türkischen Präsidenten vor, das für ihn »jeder, der nicht seiner Meinung ist, ein potenzieller Terrorist« sei.

Gegen die türkische Smartphone-App haben bereits mehrere FDP-Bundestagsabgeordnete Anzeige bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe gestellt. Auch die Kurdische Gemeinde in Deutschland plant ein solches juristisches Vorgehen gegen die App. AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.