Tsunami-Warnsystem versagte

Auf der indonesischen Insel Sulawesi werden Tausende Opfer befürchtet

  • Daniel Kestenholz
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch am dritten Tag nach dem schweren Erdbeben der Stärke 7,5 vor der indonesischen Insel Sulawesi, das einen Tsunami ausgelöst hatte, war die Zahl der Opfer unklar. Die Behörden sprachen am Sonntag von 832 Toten, warnten aber, dass die Zahl stark steigen könne, wenn weitere zerstörte Küstengebiete erreicht werden. Indonesiens Vizepräsident Jusuf Kalla sagte am Sonntag, dass der Katastrophe womöglich Tausende von Menschen zum Opfer gefallen sind. Die Behörden hätten noch keine Nachrichten aus dem Donggala-Gebiet nahe dem Epizentrum des Bebens erhalten, wo 300 000 Menschen leben.

Amateurvideos zeigten eine massive Druckwelle, die Freitagabend nach dem Beben über die Küste bei Palu, der Hauptstadt der Provinz Zentralsulawesi, hereinbrach. Palu, das 380 000 Einwohner zählt, wurde mit Trümmern übersät. Die bis drei Meter hohen Flutmassen schluckten Holzhäuser entlang der breiten Bucht und rissen Autos und Trümmerteile mit. Menschen rannten in Panik um ihr Leben. Das Wasser prallte gegen Gebäude und setzte eine durch das Beben schwer beschädigte Moschee unter Wasser. Eine große Brücke und ein Einkaufszentrum stürzten ein. Strom- und Telefonnetz brachen zusammen. Auf den Straßen lagen mit Planen bedeckte Leichen. Menschen suchten nach Angehörigen. Die meisten Toten lagen am Strand, wo am Freitag das jährliche Palu-Nomoni-Festival stattgefunden hatte.

Erinnerungen an die Monster-Tsunamis Ende 2004 im Indischen Ozean und im März 2011 im japanischen Fukushima wurden wach, wo die Zahl der Opfer und das Ausmaß der Zerstörungen noch nach Wochen unklar waren. Die offizielle Opferzahl auf Sulawesi beschränkte sich am Sonntag weiter auf Palu, wo nach Angaben der Katastrophenschutzbehörde BNPB fast 20 000 Menschen obdachlos wurden. Retter konnten Hilferufe aus dem eingestürzten achtstöckigen Roa-Roa-Hotel hören. Im Gebäude wurden etwa 50 Menschen vermisst. Zunächst blieben auch die Kommunikations- und Verbindungswege ins nordwestlich gelegene Donggala unterbrochen, das an drei Seiten von Meer umgeben ist. »Viele Leute waren zu der Zeit am Strand«, sagte BNPB-Sprecher Sutopo Purwo Nugroho. »Es gibt dicht besiedelte Fischergemeinden entlang der Küste in der Palu-Bucht bis nach Donggala. Wir hatten keine Zeit für eine Evakuierung.«

Die Katastrophe am Freitag folgte auf eine Reihe von Erdbeben und Vulkanausbrüchen in den letzten Monaten, die ein Schlaglicht auf Bemühungen der Regierung werfen, Millionen Touristen in zuvor abgeschiedene Gebiete der Archipelnation zu locken. Indonesiens Präsident Joko Widodo will die Zahl der ausländischen Besucher in den nächsten zwei Jahren auf 20 Millionen verdoppeln. Tatsächlich liegt Indonesien in einer der katastrophengefährdetsten Regionen der Welt, die sowohl den Pazifischen Feuerring als auch seismische Verwerfungen im Indischen Ozean umfasst. Erst im August tötete ein Beben auf Lombok über 500 Menschen.

Indonesien ist einem breiten Tsunami-Warnsystem im Indischen Ozean angeschlossen und nutzt soziale Medien, um schnell Alarm bei möglichen Bedrohungen zu schlagen. Am Freitag jedoch versagten sämtliche Warnkanäle. Kurz nach dem Beben wurde 18.07 Uhr Ortszeit eine Tsunami-Warnung für Zentralsulawesi ausgesprochen. 36 Minuten später wurde die Warnung von den Behörden widerrufen, die zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung zu haben schienen, dass ein Tsunami bereits über Küstengebiete hereingebrochen war.

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