Von Müttern und Präsidenten

Nach dem Erdoğan-Besuch beginnt der Kampf gegen das Vergessen, meint Nelli Tügel

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 1 Min.

Ein Samstag in Köln und Istanbul: Während der türkische Präsident am Rhein eine DITIB-Moschee eröffnet, wird am Bosporus zum sechsten Mal in Folge mit Polizeigewalt der wöchentliche Protest der Samstagsmütter unterdrückt. Sie fordern seit 23 Jahren Aufklärung über das Verschwinden von Angehörigen, Ende August wurden ihre Demonstrationen verboten.

Mit den Wahlen vom 24. Juni ist in der Türkei der Ausnahmezustand zum Normalzustand geworden. Im neuen Präsidialregime besitzt Recep Tayyip Erdoğan offiziell Befugnisse wie unter dem Notstand. Die nächste Stufe der Normalisierung dieser Zustände ist deren internationale Anerkennung. Diesbezüglich kann Erdoğan seine Reise als Erfolg verbuchen.

Für Menschen, die sich, wie die Samstagsmütter, gegen den Autoritarismus stemmen, ist das eine schlechte Nachricht. Ebenso wie für in Haft sitzende Journalisten und Oppositionelle. Sie drohen, mehr und mehr in den Hintergrund gerückt zu werden - die Bundesregierung hat schließlich deutlich zu verstehen gegeben, dass die Lage der Menschenrechte in der Türkei für sie keine Priorität hat. So kommt all denen, die gegen den Erdoğan-Besuch gewettert und demonstriert haben, nun die ungleich schwierigere Aufgabe zu, sich weiterhin zum Anwalt der türkischen Opposition machen - und gegen das Vergessen anzukämpfen.

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