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Wenn der Wolf kommt
Anke Wogersien erzählt von einem Tier, das durch Sachsen-Anhalt streift
»Zwei gerissene Kitze südlich von Hasserode, Drängetal. Augenscheinlich Wolfsangriff. Laufspuren im Boden deuten auf geschnürten Trab. Biss in die Drossel. Außer den vier Eingriffslöchern der Fangzähne in der Decke keine weiteren äußeren Verletzungen. Vermutlich ein Einzelgänger. Ich sichere die Spuren.« Mit fachmännischen Worten schildert Förster Stefan Wildhage seinem Vorgesetzten die Lage. Wir befinden uns im Harz und werden Zeuge zahlreicher Probleme mit einem einzelnen Tier der Gattung Canis lupus. Die Menschen in der Region haben es »Solo« getauft, weil es einsam durch Wald und Flur streift.
• Anke Wogersien: Sie zielen auf mein Herz, damit ich falle. Ein Wolfsroman.
Mitteldeutscher Verlag, 253 S., br., 14 €.
Ohne die Disziplin im Verbund eines Rudels kommt »Solo« auf seltsame Ideen und besucht schon mal den Marktplatz von Wernigerode oder schaut mit seinen stechenden gelben Augen den Jungen und Mädchen im Waldkindergarten beim Spielen zu. Das geht nicht gut aus für diesen besonderen Vertreter einer geschützten Art, wie man sich leicht vorstellen kann. In der Öffentlichkeit entsteht Unruhe, geschürt von sensationslüsternen Journalisten, Touristen auf dem Wolfstrip, einem schießwütigen AfD-Vertreter aus dem Landtag oder einem Bürgermeister, der zwar als Grüner unter den Schwarzen gilt, aber vor allem den Fremdenverkehr im Sinn hat. Ein Wolf, der Schafe reißt, Kinder bedroht oder frech auf dem Waldweg spaziert, könnte die Urlauber vergrämen, auf die man in dieser Region dringend angewiesen ist.
Selbstverständlich wäre die Geschichte nicht rund, kämen nicht auch Wolfsversteher im Personaltableau vor, das die Hannoveraner Autorin Anke Wogersien in ihrem dritten Buch in Aktion treten lässt. Förster, Wolfsberaterin, Waldkindergärtnerin und ein Forstpraktikant mit afghanischen Wurzeln gehören dazu. Sie alle werden nicht müde, von der Scheu der Wölfe den Menschen gegenüber zu berichten und die Gefahren herunterzuspielen.
650 Wölfe leben Schätzungen zufolge derzeit in ganz Deutschland, davon ungefähr elf Rudel mit 80 Tieren in Sachsen-Anhalt. Auch das erfährt man in Wogersiens Wolfsroman, dessen Handlung alltagsvertraut erscheint, wenn sie davon erzählt, was Menschen beschäftigt und besorgt macht. Allerdings wirken trockene Exkurse über die Geschichte des Wernigeroder Rathauses, die Aufgaben der Nationalpark-Ranger, den Wolf an sich oder die Forstwirtschaft in Sachsen-Anhalt mitunter ein wenig so, als stammten sie aus offiziellen Broschüren oder Dokumenten und die Erzählerin hätte sie in ihr Manuskript hineinkopiert, weil sie mit dessen Sprache ein wenig fremdeln.
Eher bilderbuchartig muten die Namen der Protagonisten an. Wenn der Förster Wildhage, die Wolfsberaterin Silva Nettigkeit oder der AfD-Abgeordnete Hauschild heißen, traut man den intellektuellen Fähigkeiten der Leserschaft offenbar nicht ganz über den Weg. Oder eher den eigenen Fähigkeiten, die Figuren so zu beschreiben, dass ihre Charaktere deutlich werden?
Beim Politiker Hauschild hat die Autorin es fast ein wenig übertrieben: Braune Socken, wulstige Lippen, polternde Stimme, ungehobeltes Benehmen, rechtes Parteibuch: Da hätte es ein ganz normaler Name auch getan.
Wogersien versteht es, Spannung aufzubauen und Interesse an der Entwicklung aller beteiligten Personen hervorzurufen. Wird sich die Waldkindergärtnerin Viola tatsächlich von ihrem bodenständigen Forstarbeiter Ingo trennen, weil sie sich in Sakhi Baburi verliebt hat? Kann sich Waldarbeiter Werner Brennecke mit einem Flüchtlingskind als Schwiegersohn anfreunden? Werden die Wölfe in der Harzregion künftig besser angenommen?
Nicht alle Fragen werden von der Autorin beantwortet, aber vielleicht geschieht das in einem nächsten Buch.
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