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Am Ende sind alle Verlierer
Davit Gabunia zeichnet vor dem Hintergrund politischer Unruhen ein dunkles Bild des heutigen Tbilissi
Unser Land habe viele unverheilte Wunden, hat kürzlich ein rumänischer Schriftsteller gesagt. Noch mehr trifft dies auf das durch Krieg und Korruption in den letzten Jahrzehnten gebeutelte Georgien zu. Es ist ein düsteres, ja schwarzes Bild vom unteren gesellschaftlichen Rand der Stadt Tiflis, das Davit Gabunia hier malt, und das Geschilderte spielt sich fast nur in den Nachtstunden ab.
• Davit Gabunia: Farben der Nacht. Roman.
A. d. Georg. v. Rachel Gratzfeld. Rowohlt Berlin, 189 S., br., 20 €.
»Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer.« Dieses Bild bzw. der Satz Goyas fiel mir beim Lesen ein, nur dass hier nicht ein (vernunftbegabter) Mensch schläft, sondern eine schlafende Gesellschaft Ungeheuerliches hervorzubringen scheint. Die Ausweglosigkeit ist das Furchtbare daran. Dass Ähnliches in andere Gesellschaften übertragbar sein könnte, macht es noch schlimmer.
Es sind einige wenige Personen, aus deren jeweiliger Perspektive berichtet wird. Schicksalhaft miteinander verbunden, sind sie doch alle sehr einsam, jeder mit seinen Gefühlen in einem Kokon der Trostlosigkeit eingesponnen. Der 31-jährige Surab bildet den Mittelpunkt. Er berichtet: »Also ich, ich hab keinen Job, ich bin arbeitslos. So sieht’s von außen aus, bloß, was heißt eigentlich arbeitslos? Ich bin nicht arbeitslos, ich sitze zu Hause. Wie andere sich ein Zuhausesitzen vorstellen, weiß ich nicht, aber einfach nur Rumsitzen heißt das bestimmt nicht ...«
Surabs Frau Tina verdient das Geld, sie hat einen Bürojob. Die beiden Söhne, fünf und sechs Jahre alt, gehen in den Kindergarten bzw. in die Schule. Nachmittags spielt Surab mit ihnen, geht mit ihnen in den Zoo, oder sie schauen sich das Video von »Mogli« an. Surabs Familie wohnt im Wohnblock eines öden Stadtviertels von Tbilissi. Sind die Kinder bei der Großmutter, dann weiß Surab überhaupt nichts mit sich anzufangen. Bis kommt, was kommen muss ...
Eines Tages steht ein roter, auffälliger Alfa Romeo im Hof zwischen den Wohnblöcken. Wer kann sich so ein Auto schon leisten?
Surabs Neugier ist geweckt. Von seinem Balkon aus sieht er auch bald den Besitzer des Wagens, einen sehr jungen Mann, der gerade in eine gegenüberliegende Wohnung eingezogen ist. Und schon beobachtet er, dass Schotiko, so heißt der junge Mann, täglich Männerbesuch bekommt - besser gesagt, die Männer kommen abends und nachts. Zuerst zwei junge Kerle, dann regelmäßig ein Mann »im fortgeschrittenen Alter«, schlaff, mit Bauch und grauen Haaren. Kennt Surab den nicht aus dem Fernsehen? Das ist doch Merab, der einen hohen Posten im Ministerium für Innere Angelegenheiten hat. Kein Wunder, dass er sich immer so ängstlich umschaut, bevor er in das Haus geht.
Surab wird zum Stalker. Nachts, wenn der Alte kommt, schleicht er sich mit der Kamera auf seinen Balkon, filmt die beiden Männer, die sich hinter erleuchteten Fenstern mehr oder weniger verlustieren, und speichert es auf einer CD. Ja, eigentlich hat er es gar nicht vorgehabt, aber dann kommt ihm die Idee: Er stattet Merab im Ministerium einen Besuch ab. Nein, er will ihn nicht erpressen. Er will nur einen Job! Natürlich nimmt alles ein schlimmes Ende. Surabs Frau Tina geht ja auch schon längst eigene Wege.
Am Ende sind alle Verlierer, und den Hintergrund der Tragödie bilden politische Unruhen und Straßendemonstrationen. Diese »Nacht« hat keine Farben, sie ist rabenschwarz und schwer auszuhalten.
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