• Politik
  • Solidarische Wohnungsgenossenschaft Leipzig

Solidarität im Mietengerangel

In Leipzig versucht eine Gemeinschaft von Enthusiasten, sich ohne Profitinteressen im Wohnungsmarkt zu behaupten

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Gebäude der Merseburger Straße 38c im Leipziger Stadtteil Lindenau nicht von den Nachbarhäusern. Am unteren Teil der Fassade haben sich Grafittikünstler*innen ausprobiert. Fahrräder lehnen an der Wand. Eine Gruppe jüngerer Leute sitzt an dem sonnigen Herbsttag vor dem Haus. Einige gehören zu den 23 Bewohner*innen des Hauses, das mittlerweile als Merse 38c in Leipzig bekannt geworden ist. Denn es ist eines der beiden Gebäude, mit denen die Solidarische Wohnungsgenossenschaft Leipzig (SoWo) im Kampf um bezahlbare Wohnungen neue Wege geht.

Nach mehrmonatigen Verhandlungen zwischen Mieter*innen und Eigentümerin erzielte man eine einvernehmliche Lösung. Die SoWo kaufte das Haus, und die Mieter*innen übernahmen die Verantwortung. Auch die ehemalige Vermieterin ist Mitglied der Genossenschaft. »So ist es uns gelungen, einen dauerhaften Rahmen für die Gemeinschaft zu schaffen, vor allem aber auch, die Mieten im Haus auf einem sozialverträglichen Niveau von 4,80 Euro pro Quadratmeter zu halten«, sagt Paul Schubenz dem »nd«. Der Handwerker ist vor einigen Jahren von Berlin nach Leipzig gezogen und gehört zu den Mitbegründern der Genossenschaft. Der starke Zuzug nach Leipzig habe zu der Suche nach neuen Formen solidarischen Wohnens beigetragen, erklärt SoWo-Vorstandsmitglied Thomas Bernet. Er forscht als Historiker zur Wohnungs- und Stadtpolitik und ist seit Jahren in der Recht-auf-Stadt-Bewegung aktiv.

Die Zeit des großen Leerstands ist auch in Leipzig vorbei. Damals wurden in vielen Stadtteilen Erfahrungen selbstverwalteten Wohnens gesammelt. Wegen des anhaltenden Bevölkerungswachstums gibt es inzwischen so gut wie keine leeren Häuser zu vernünftigen Preisen mehr. »Andererseits kommen zunehmend die Bewohner*innen in normalen Mietshäusern unter Druck: Gerade in Gebäuden, die nicht auf dem neusten Sanierungsstand sind, drohen nach einem Verkauf empfindliche Mietsteigerungen«, skizziert Bernet die Situation auf dem Leipziger Wohnungsmarkt.

An diesem Punkt will die SoWo mittels genossenschaftlicher Hausübernahmen intervenieren und Selbstverwaltungsmodelle mit bezahlbaren Mieten verbinden. Es sei wesentlich effizienter, bezahlbare Mieten im Altbaubestand durch dauerhaft nicht-profitorientierte Bewirtschaftung zu sichern, als Neubaukosten teuer zu fördern, meint Bernet.

Doch die SoWo will auch Neubauprojekte unterstützen. Dabei handle es sich nicht um »Schöner-Wohnen-Projekte« eines gut verdienenden Mittelstands, betonen Schubenz und Bernet. Es gehe nicht um Einzelhausprojekte. »Wir wollen mehr Leuten sicheres, selbstverwaltetes Wohnen ermöglichen.« Dabei ist die Miethöhe selbstverständlich ein Knackpunkt.

»In der Merse 38c liegen die Mieten sogar unter dem Bestandsmieten-Durchschnitt in Leipzig und im Bereich dessen, was auch das Jobcenter übernimmt - obwohl dessen Sätze eigentlich schon lange realitätsfern sind«, sagt Bernet. Die niedrige Miethöhe war nur möglich, weil die Verkäuferin die Preise nicht in die Höhe getrieben hat. In dem zweiten Haus, in dem noch umfangreiche Sanierungen anstehen, werde die Miete höher ausfallen. Auf einem Zukunftswochenende der SoWo will man Voraussetzungen schaffen, damit die Genossenschaft im nächsten Jahr weitere Häuser erwerben kann. Das ist ausnahmsweise eine Expansion am Wohnungsmarkt, bei dem es nicht um mehr Profit geht.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.