Interpol-Chef unter Bestechungsvorwurf

Disziplinkontrollkommission der Kommunistischen Partei Chinas begründet Ermittlungen gegen Meng Hongwei

  • Finn Mayer-Kuckuk, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Messer. Dieses Piktogramm konnte Meng Hongwei noch an seine Frau absetzen. Da, sagt sie, wusste sie sofort: »Er glaubte sich in Gefahr.« Seit dieser Nachricht am 25. September herrscht Funkstille. In der Zwischenzeit wuchs nicht nur zu Hause die Sorge, sondern auch die internationale Irritation: »Interpol sucht seinen eigenen Präsidenten« - in den vergangenen Tagen liefen skurrile Überschriften. Der Chef der internationalen Polizeiorganisation sollte nicht einfach verschwinden. Noch dazu in seinem Heimatland China.

Seit Montag ist bekannt, dass er gerade deshalb so spurlos verschwinden konnte, weil er nach China geflogen war. Denn die Korruptionsermittler der Kommunistischen Partei, deren Mitglied er ist, haben ihn in Gewahrsam genommen. »Bestechlichkeit im Amt«, lautet der Vorwurf. Meng ist inzwischen von seinem Regierungsamt und auch als Präsident der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (Interpol) zurückgetreten. Seine Frau wandte sich derweil mit Appellen an die chinesische Regierung und die Öffentlichkeit. Ihr Mann habe immer für Rechtsstaat und Gesetzestreue gekämpft, da könne er doch nicht einfach so abgesägt werden.

Im chinesischen Ministerium für Öffentliche Sicherheit war Meng bisher Staatssekretär. Zu Interpol war er, wie dort üblich, nur entsandt worden. Jetzt teilte das Ministerium mit, dass Meng wegen der Korruptionsvorwürfe aus der Regierung entlassen worden sei.

Die Mitteilung vom Montag kam zwar aus diesem Ministerium, das für den Polizeiapparat Chinas zuständig ist. Doch aus der Wortwahl geht hervor, dass Meng sich nicht im Gewahrsam der Polizei, sondern der internen Ermittler der Kommunistischen Partei Chinas befindet. Die KPCh hat ihre eigene Disziplinkontrollkommission, die in China u. a. für die Verfolgung von korrupten Staatsbediensteten zuständig ist. In Peking steht diese Organisation über der regulären Justiz.

Minister Zhao Kezhi habe, so hieß es, eine Sitzung geleitet und dabei festgestellt: »Das Parteikomitee des Ministeriums stimmt in vollem Umfang zu, dass die Überwachung Mengs und die Ermittlungen gegen ihn gerechtfertigt sind.«

Das Dokument betont sodann seine Loyalität zu Staatspräsident Xi Jinping, dessen weise Führung es insgesamt sechs Mal lobt. »Parteikader sollten einen sauberen Lebensstil pflegen, sich an Recht und Gesetz halten und ein gutes Beispiel für Ehrlichkeit und Gesetzestreue abgeben«, wiederholen die Verfasser einen Satz, der in Xis Reden immer wieder vorkommt.

Meng gehörte zum Kreis von Zhou Yongkang, der einst Sicherheitschef und damit einer der mächtigsten Männer im Lande war. Zhou galt auch als Rivale von Xi und hat immer wieder versucht, dessen Aufstieg zu bremsen. Nach Xis Amtsantritt als Präsident im Jahr 2013 begann die Disziplinarkommission sofort Ermittlungen gegen den Geheimdienstchef. Zhou wurde 2015 zu lebenslanger Haft verurteilt. Fast alle, die zu ihm gehalten hatten, verloren nach und nach ebenfalls ihre Ämter.

Meng konnte sich jedoch als Vizechef des Sicherheitsministeriums halten. Er hatte sich zudem einen Namen als entscheidungskräftiger Politiker gemacht. Das ermöglichte 2016 auch seine Nominierung für den Interpol-Chefposten. Dort hat er immer wieder versucht, international nach Personen fahnden zu lassen, die in China wegen Korruption gesucht wurden. Er hat also eigentlich genau das getan, was die Partei von ihm erwartete.

Daher rätselt man im Ausland, warum die KP einen der ihren so plötzlich absägt, obwohl er als Interpol-Chef internationale Aufmerksamkeit genoss. Die Disziplinarkommission hat in den vergangenen fünf Jahren gegen 1,5 Millionen der 90 Millionen Parteimitglieder ermittelt, doch ausländische Medien sind nur auf wenige Fälle aufmerksam geworden. Warum nun einen so heftigen Image-Schaden für das chinesische System riskieren?

Experten vermuten, dass es eine politische Verschiebung in der Partei gab. Yang Dali, Politologe an der University of Chicago, meint: »Die Führung hat offensichtlich signifikante, drängende Gründe gesehen, diesen Schritt gerade jetzt zu tun.«

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