- Kommentare
- Feine Sahne Fischfilet
Rechts, links oder andere
Thomas Blum findet, das Bauhaus in Dessau agiert erstaunlich geschichtsvergessen
Dass das gute alte ZDF tatsächlich ein kommunistischer Propagandasender ist, hat lange niemand geahnt. Doch jetzt steht es fest. Der seit Jahrzehnten beliebte linksextremistische Fernsehsender hatte die Absicht, Anfang November auf der historischen Bühne des Bauhauses Dessau ein Konzert der linken Rockband Feine Sahne Fischfilet aufzuzeichnen. Das ZDF hatte aber nicht damit gerechnet, dass es in einem Land wie Sachsen-Anhalt Usus ist, jede Form kultureller Äußerung, die nicht unter das landestypische Brauchtum (Ausländerjagd, Fahnenschwenken usw.) subsumiert werden kann, unter Generalverdacht zu stellen und sich gleichzeitig bei der AfD, der zweitstärksten Partei im Landesparlament, bei jeder Gelegenheit einzuschleimen.
Ortsansässige Nazibanden hatten im Internet gegen das bevorstehende Konzert gehetzt. Und beim Bauhaus Dessau hörte man den Ruf. Gewiss hatte man beim Bauhaus Angst, man könnte von den Nazis und von der Landesregierung scheel angesehen werden, weil eine TV-Sendeanstalt das Konzert einer Hand voll junger Künstler abzufilmen gedenkt, die irgendeine besorgniserregende entartete Musik machen und auch keinen mit dem Lineal gezogenen Seitenscheitel tragen.
Per eilig herausgegebener Presseerklärung sagte man also unter Berufung auf das Hausrecht dem ZDF die Konzertaufzeichnung ab.
In dem Pressestatement des Bauhauses heißen Nazis auch nicht Nazis, vielmehr hat man eine Sprachregelung gefunden, die, sagen wir, weniger konfrontativ ist bzw. auch die Nazis zufriedenstellt: »rechte Gruppierungen aus dem regionalen Umfeld«. Vermutlich würde man beim Bauhaus Dessau auch einen Weltkrieg nicht Weltkrieg nennen, sondern »konfliktpräventive Operationen im internationalen Umfeld«.
Weiter heißt es in dem vom Bauhaus Dessau publizierten Statement: »Politische extreme Positionen, ob von rechts, links oder andere, finden am Bauhaus Dessau keine Plattform.« Es handelt sich, wie man erkennen kann, um ein ebenso erbärmliches wie erstaunliches Dokument politischer Ahnungslosigkeit, in dem zum tausendsten Mal der alte, längst wissenschaftlich widerlegte Mumpitz von den angeblichen »Extremisten von links und rechts« wiedergekäut wird und Rechtsextremisten mit Antifaschisten gleichgesetzt werden.
Man wolle, so steht es in dem Pressestatement, nicht »zum Austragungsort politischer Agitation« werden. »Politische Agitation«, so muss man das wohl verstehen, ist nicht etwa das fröhliche Treiben jener völkischen bis rechtsradikalen Blase, die in der Region seit Jahr und Tag den Ton angibt und teilweise in der Justiz, den Parlamenten, Kulturinstituten, Redaktionen und Hochschulen hockt und bereitwillig in jede Kamera spricht. »Politische Agitation« betreiben nicht etwa die Patzelts, Jesses und ihresgleichen mit ihrer permanenten Verharmlosung jener Sorte autoritätsfixierter Hutbürger, die gleich morgen den Faschismus mit offenen Armen empfangen würden. Sondern »politische Agitation« - im Sinne einer schädlichen Tätigkeit gemeint – ist dem Bauhaus zufolge das Konzert einer antifaschistischen Rockgruppe, die in einem Landstrich die sogenannte demokratische Zivilgesellschaft verteidigt, der in den vergangenen 25 bis 30 Jahren vor allem dadurch von sich reden machte, dass in ihm Menschen mit anderer Hautfarbe oder anderer Weltsicht gern gejagt und zusammengeschlagen werden. Was von den beim Bauhaus gegenwärtig Verantwortlichen als angebliche politische »Neutralität« verkauft wird, ist tatsächlich nichts anderes als der unverhohlene Pakt mit jener unheilvollen Allianz aus CDU, AfD, Pegida & Co., die die weitgehende Unbewohnbarkeit dieser Region für weltoffene und menschenfreundliche Menschen wohl auch künftig sicherstellen wird.
Gut, dass die Gründerinnen und Gründer des zur Weimarer Zeit sich links und internationalistisch verstehenden Bauhauses dieses armselige Schauspiel nicht erleben müssen.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!