Wenn die Donau rückwärts fließt

Ringer Frank Stäbler will trotz seiner skurrilen Vorbereitung bei den Weltmeisterschaften in Budapest Einzigartiges erreichen

  • Manuel Schwarz, Budapest
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Frank Stäbler lässt sich seinen Optimismus durch nichts erschüttern. Ein bizarrer Hallenstreit samt Umzug in einen Kuhstall zum Training? Eine neue Gewichtsklasse? Blessuren und ein Infekt just vor den Weltmeisterschaften? All die Schwierigkeiten sollen den besten deutschen Mattenkämpfer beim Saisonhöhepunkt nicht belasten. Er will Gold, er will Budapest rocken! »Am 26. Oktober wird die Donau rückwärts fließen«, hatte er vor seinem WM-Start am Donnerstag angekündigt. Der gelang: 10:6-Sieg im Viertelfinale gegen den Kasachen Demeu Tschadrajew. Und so blieb die Hoffnung, am Freitag, ebenjenem 26. Oktober, Geschichte schreiben zu können: als erster Ringer seinen dritten WM-Titel gewinnen - in drei verschiedenen Gewichtsklassen.

»Ich bin wieder bereit zu leiden, viele Schmerzen auszuhalten, um diesen ganz, ganz großen Traum wieder zu leben und das Unmögliche möglich zu machen«, kündigte der Baden-Württemberger an. Der Sportler mit dem markanten Kurzhaar-Irokesenschnitt ist der größte Hoffnungsträger in der deutschen Mannschaft. Nach den enttäuschenden WM-Auftritten der Freistilringer in der ungarischen Hauptstadt soll Stäbler seine Griechisch-Römisch-Truppe zu Medaillen führen.

»Wir haben so ein unglaublich starkes Team«, charakterisierte er die Greco-Auswahl des Deutschen Ringer-Bundes, bei der vor allem auch Denis Kudla als Vizeweltmeister 2017 und Olympiadritter von Rio sowie der ehemalige Europameister Pascal Eisele Chancen auf Edelmetall haben. Ganz vorne aber steht Stäbler. »Wenn Frank etwas unbedingt will, dann setzt er alle Energien um«, lobte Sportdirektor Jannis Zamanduridis. »Wenn es sein muss, dann kann Frank über sich hinauswachsen.«

Das wird der Familienvater in Ungarn müssen, tritt er doch in einer neuen Gewichtsklasse an. Die Kategorie bis 72 Kilogramm passt perfekt zu ihm. Allerdings wird er auf Gegner treffen, die normal um die 80 Kilogramm wiegen, sich für die WM runter hungern und eigentlich mehr Masse auf die Matte bringen. Vorhersagen sind daher fast unmöglich.

Die Motivation Stäblers, der 2015 in Las Vegas in der Klasse bis 66 Kilogramm und zwei Jahre später in Paris in der Klasse bis 71 Kilogramm den WM-Gürtel holte, ist eine historische: Noch nie hat ein Ringer in drei Gewichtsklassen Gold gewonnen. »Ich habe die Möglichkeit, etwas zu schaffen, was noch niemand auf der Welt geschafft hat«, sagte er. »Ich kann mich in die Geschichtsbücher eintragen, dass noch meine Urenkel darüber reden.«

Sollte er irgendwann den Nachfahren von einem Hattrick erzählen, dann dürfte er die Schwierigkeiten im Vorfeld nicht aussparen. Im Sommer eskalierte ein Streit mit dem baden-württembergischen Verein TSV Musberg, der Stäbler nicht mehr in die heimische Trainingshalle ließ. Also baute er sich im Kuhstall seiner Eltern eine Matte zur WM-Vorbereitung auf. Im Trainingslager in Lettland befürchtete man bei Stäbler einen Herzinfarkt, der sich nicht bewahrheitete. Weil zwei Rippen auf Nervenbahnen drückten, konnte er dennoch lange nur eingeschränkt trainieren. In der Vorwoche plagte den Titelverteidiger ein Infekt, zudem bereiten die Fuß- und Handgelenke Probleme.

Weil Stäbler immer komplizierte Vorbereitungen auf Großereignisse hatte - bei Olympia 2016 in Rio trat er mit einem Syndesmoseriss an und wurde Siebter - kann er auch jetzt Weltmeister werden. »Ich traue es Frank an einem perfekten Tag zu«, sagte Bundestrainer Michael Carl. Dafür hat Stäbler an alles gedacht. Selbst seine ein halbes Jahr alte Tochter Alia Marie wird mit Mutter Sandra eingeflogen. »Sie ist mein neuer, bester, wertvollster, schönster Glücksbringer«, sagte Stäbler. dpa/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -