Mietpreise machen arm

Über eine Million Haushalte haben wegen der Wohnkosten weniger als den Hartz-IV-Satz zum Leben

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hat auf die wachsende Armutsgefährdung durch rasant steigende Mieten und den eklatanten Wohnungsmangel in vielen deutschen Großstädten und Ballungsräumen hingewiesen. »Besonders benachteiligt von der Mietpreisentwicklung sind Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentner sowie Menschen mit Migrationshintergrund«, sagte SoVD-Präsident Adolf Bauer bei der Vorstellung einer von seinem Verband in Auftrag gegebenen Studie am Donnerstag in Berlin. Stark betroffen seien davon auch Single-Haushalte und Erwerbslose. Um den viel zu knappen bezahlbaren Wohnraum gebe es eine immer schärfere Konkurrenz, bei der oftmals auch Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen das Nachsehen hätten. »Das erfahren wir täglich in vielen Beratungsgesprächen«, so Bauer.

Die Studie untersucht durch Mietbelastung verursachte relative und absolute Armut anhand verschiedener Parameter. Demnach wird die als maximal sozialverträglich angesehene Grenze von 30 Prozent des verfügbaren Nettohaushaltseinkommens in den unteren Einkommensschichten besonders in Großstädten deutlich überschritten. Über eine Million Haushalten bleibt durch die Mietbelastung weniger als der Regelsatz von Hartz-IV-Leistungen zum Leben, wie die Auswertung von Daten aus den regelmäßig erhobenen sozialökonomischen Panels ergab. Zudem stellen die Autoren fest, dass immer mehr Wohnungen von einkommensschwachen Haushalten deutlich überbelegt sind, vor allem weil erwachsene Familienangehörige nicht ausziehen können, da sie keine eigene bezahlbare Wohnung finden.

Studienleiter Stephan Junker wertet die Ergebnisse der Studie als eindeutigen Beleg für die wachsende soziale Spaltung der Gesellschaft durch die Lage auf dem Wohnungsmarkt. Neben Neu- seien auch Bestandsmieten in den vergangenen 15 Jahren deutlich stärker gestiegen als die Einkommen jener 50 Prozent, die unterhalb des Medianwertes liegen. Bei den zehn Prozent der Haushalte am unteren Ende sei diese Diskrepanz besonders groß und die prozentuale Belastung durch Wohnkosten entsprechend hoch. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum werde von der Politik noch immer deutlich unterschätzt. In einer früheren Studie bezifferte Junker den Fehlbestand auf rund 1,9 Millionen Wohnungen. Doch »der reale Bedarf ist noch wesentlich höher«. Zum einen dürfe man die räumliche Verteilung der einkommensarmen und einkommensreicheren Haushalte nicht außer Acht lassen. Wenn man die soziale Mischung in Stadtteilen mit mehrheitlich gut verdienenden Haushalten erhalten wolle, müssten dort weitere Wohnungen für einkommensschwache Menschen entstehen, auch wenn der rechnerische Gesamtbedarf niedriger läge. Zudem verlange die bislang selten untersuchte armutsbedingte Überbelegung auch ein Segment preisgünstiger großer Wohnungen, was in den bisherigen Überlegungen zur sozialen Wohnraumförderung kaum eine Rolle spiele.

Für den SoVD ergibt sich aus der Studie umfassender Handlungsbedarf. Die Bereitstellung von angemessenem und bezahlbarem Wohnraum sei eine Kernaufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge. Nötig seien ein »umfassendes Investitionsprogramm« mit dem Schwerpunkt auf sozialen Wohnungsbau. Zudem müsse die Spekulation mit Bauland durch entschiedene Markteingriffe unterbunden werden.

Wie dramatisch die Situation mittlerweile ist, zeigen neue Zahlen aus Berlin. Eine Untersuchung der Caritas ergab, dass sich die Zahl der Wohnungslosen in der Hauptstadt binnen drei Jahren nahezu verdoppelt hat, wobei die auf der Straße lebenden Obdachlosen noch gar nicht eingerechnet sind. Demnach seien derzeit 37 000 Menschen offiziell in Not- und Gemeinschaftsunterkünften untergebracht. Hinzu kämen rund 13 000 Menschen, die temporär bei Freunden und Verwandten wohnen. Zunehmend seien davon auch regulär Erwerbstätige und Familien betroffen, die einfach keine bezahlbare Wohnung mehr finden, sagte die Berliner Caritas-Chefin Ulrike Kostka.

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