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Kandidat der Finanzmärkte
Vor seiner Kandidatur für den CDU-Vorsitz hat sich Friedrich Merz hauptsächlich als Lobbyist verdingt
Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag erklärt hatte, beim kommenden CDU-Parteitag nicht mehr für den Vorsitz der Partei kandidieren zu wollen, da machte quasi zeitgleich eine von der »Bild«-Zeitung als erstes verbreitete Meldung die Runde. Friedrich Merz stehe bereit, den Vorsitz der Partei zu übernehmen, berichtete das Boulevard-Blatt. Es bezog sich auf Informationen aus dem Umfeld von Merz. Am Dienstag folgte dann die offizielle Erklärung von Merz, kandidieren zu wollen. »Wir brauchen in der Union Aufbruch und Erneuerung mit erfahrenen und mit jüngeren Führungspersönlichkeiten. Ich bin bereit, dafür Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig alles zu tun, um den inneren Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit der CDU Deutschlands zu stärken«, so der 62-Jährige in seiner Mitteilung.
Am Mittwochnachmittag sprach Merz außerdem vor der Bundespressekonferenz in Berlin. Er wolle »Klarheit schaffen über den Markenkern der CDU«, die Partei müsse sich als »Volkspartei der Mitte« positionieren. Gleich darauf füllte er diese Worthülsen mit Inhalt. Traditionelle Werte und eine nationale Identität müssten einen festen Platz in der Gesellschaft haben, sagte der Konservative. Viele jüngere Menschen dürften den Namen Friedrich Merz am Montag zum ersten Mal gehört haben. Diese würden ihn »jetzt kennenlernen«, erklärte Merz am Mittwoch.
Die Aufmerksamkeit für den Mann aus dem Sauerland sank mit dem Aufstieg Angela Merkels. Im Frühjahr 2000 - Helmut Kohl war seit zwei Jahren nicht mehr Kanzler und die CDU von einer jahrzehntelangen Spendenaffäre zerrüttet - wurde Merz zum Fraktionsvorsitzenden der Union im Bundestag gewählt. Merz machte seinen Job aus Sicht vieler Parteikollegen gut. Seine Wahl galt als Zeichen des Neuanfangs, da er nicht zu Kohls Ministerriege gehört hatte und einen jungen, zackigen Ton in die arg verstaubte CDU brachte.
Und Merz provozierte. Er wollte über »deutsche Leitkultur« sprechen und lehnte Multikulturalismus ab. Wer nach Deutschland komme, solle sich anpassen. Überhaupt solle die Zuwanderung auf höchstens 200 000 Menschen pro Jahr beschränkt werden. Kritik an dem von ihm benutzten Begriff »deutsche Leitkultur«, wie sie unter anderem der Sozialphilosoph Jürgen Habermas und der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, äußerten, interessierte Merz nicht.
Dass er ein Problem mit der Abgrenzung nach Rechts hat, zeigen auch Recherchen der »taz« aus dem Jahr 2004. Merz hatte bei einer Parteiveranstaltung in seiner nordrhein-westfälischen Heimatstadt Brilon davon gesprochen, dass ihn ein Sozialdemokrat im Rathaus »mit tiefem Grausen« erfülle. Das »rote Rathaus« müsse »gestürmt« werden. Er begründete dies damit, dass sein Großvater Josef Paul Sauvigny amtiert habe. Der Opa des Anwärters auf den CDU-Vorsitz verehrte Adolf Hitler und konnte, obwohl er eigentlich Zentrums-Politiker war, bis 1937 im Rathaus bleiben.
Seit 2002, nachdem CDU und CSU mit Edmund Stoiber als Spitzenkandidat die Bundestagswahl verloren hatten, sank der Stern von Merz. Den Fraktionsvorsitz im Bundestag verlor er an Angela Merkel. Für kurze Zeit blieb Merz noch Stellvertreter. Zur Bundestagswahl 2009 trat er nicht mehr für den Bundestag an. Kurz vor seiner »Politik-Pause« machte Merz noch mit einem Vorschlag zum Sozialabbau auf sich aufmerksam. Ein Hartz-IV-Satz von 132 Euro müsste doch reichen. Der Sozialstaat müsse begrenzt werden, sagte Merz auf einer Klausurtagung der FDP.
Nach seinem Rückzug aus der Politik sorgten vor allem seine diversen Tätigkeiten in der Finanzwirtschaft für Aufmerksamkeit. So wurde Merz zum Beispiel 2016 Aufsichtsratschef des deutschen Ablegers von »BlackRock«. Die Fondsgesellschaft verwaltet rund 6,3 Billionen Euro Vermögen weltweit. Dem Unternehmen wird politisch großer Einfluss zugeschrieben. »BlackRock« ist auch an zahlreichen deutschen Unternehmen beteiligt. Von Adidas über Bayer bis zu Vonovia und RWE hält der Finanzinvestor jeweils etwa drei bis acht Prozent an fast allen 30 im DAX vertretenen Unternehmen.
Die Vonovia-Beteiligung sorgte jüngst immer wieder für Kritik. Der Wohnungskonzern, der zum Großteil aus Immobilienbeständen besteht, die aus der öffentlichen Hand aufgekauft wurde, macht vorrangig durch Mietsteigerungen und fragwürdige Modernisierungen auf sich aufmerksam. Bei »BlackRock« sollte Merz »die Beziehungen mit wesentlichen Kunden, Regulierern und Regulierungsbehörden in Deutschland«, fördern.
Das waren nicht die einzigen fragwürdigen Mandate von Merz. Auch bei der Düsseldorfer Geschäftsbank HSB Trinkaus & Burkhardt saß Merz im Verwaltungsrat. Die Bank ist in die, jüngst in ihrem vollen Ausmaß bekannt gewordenen, Cum-Ex-Geschäfte verstrickt, bei denen es darum ging, sich bei Aktiengeschäften, zu Unrecht Steuern erstatten zu lassen. Mehreren europäischen Staaten entstand dadurch ein Schaden von 55 Milliarden Euro. Auch die Rechtsanwaltskanzlei Mayer Brown LLP, in der Merz tätig ist, war an Cum-Ex-Deals beteiligt.
Sollte er auf die politische Bühne zurückkehren, werden diese Engagements in der Finanzwirtschaft sicherlich zur Sprache kommen. Für LINKE, SPD und Grüne wären sie ein idealer Punkt, um einen möglichen Kanzlerkandidaten Merz angreifen zu können. In der Bundespressekonferenz ging Merz anfangs nur abstrakt auf seine Berufserfahrung ein, die er »einbringen« wolle. Auf eine Nachfrage erklärte er, »BlackRock« sei keine »Heuschrecke«, sondern ein verantwortungsvolles Unternehmen, dem »die Menschen« vertrauten.
In neoliberalen Kreisen erfreut sich Merz einer großen Beliebtheit. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner nannte den CDU-Politiker einen »Freund« und deutete an, dass er sich eine Zusammenarbeit gut vorstellen könne. In einer Online-Umfrage die »Civey« in Kooperation mit »Spiegel Online« durchführte, lag Merz mit 33 Prozent weit vor allen anderen Kandidaten, die für den CDU-Vorsitz in Frage kommen. Auch zahlreiche konservative und wirtschaftsnahe Vereinigungen innerhalb und außerhalb der CDU unterstützen die Kandidatur von Merz. Auf der Pressekonferenz erklärte der Konservative, dass er sich mit Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn, die ebenfalls antreten wollen, auf einen »fairen Streit« verständigt habe. Es könne »Regionalkonferenzen« geben. Er hoffe, dies werde die Partei »beleben«.
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