Macrons leere Versprechen

Die Arbeitsmarktreform hat keinen Jobboom in Frankreich beschert

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Arbeitslosenstatistik für das dritte Quartal des laufenden Jahres ist wieder eine herbe Enttäuschung für Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung: 16.400 Arbeitslose mehr gibt es im Vergleich zum zweiten Quartal, wie aus den gerade veröffentlichten Zahlen hervorgeht. Damit stieg die Arbeitslosenrate um 0,4 Prozent auf nunmehr 9,3 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung. Auch in den ersten beiden Quartalen war es alles andere als gut gelaufen.

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Das zeugt davon, dass das Wirtschaftswachstum in Frankreich dem anderer europäischer Länder hinterherhinkt - mit dürftigen 0,2 Prozent im ersten und zweiten Quartal sowie bescheidenen 0,4 Prozent im dritten Quartal. Wenn das so weitergeht, dürfte es für den Präsidenten äußerst schwer werden, sein Versprechen beim Amtsantritt im Mai 2017 einzuhalten, in der bis 2022 laufenden Legislaturperiode die Arbeitslosigkeit im Vergleich zu 2017 um sieben Prozentpunkte zu senken. In seinem ersten Jahr hat er es jedenfalls nur auf 39 100 weniger Arbeitslose gebracht, was einer Senkung um nicht einmal einen Prozentpunkt entspricht.

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In diesen Zahlen sieht die linke wie die rechte Opposition einen klaren Misserfolg der Wirtschaftspolitik Macrons und seiner durch Premier Edouard Philippe geführten Regierung. »Wenn die Kaufkraft der Franzosen sinkt und damit der Konsum der Masse der Haushalte, hat darunter die ganze Wirtschaft zu leiden«, kritisiert etwa der Parlamentsabgeordnete Eric Coquerelle von der linken Bewegung La France insoumise. »Unter solchen Bedingungen kann man keine Wunder erwarten.« Fabien Di Filippo von der konservativen Partei der Repu-blikaner sieht den Grund für die schwache Konjunkturentwicklung darin, dass die Regierung »sowohl die Mittelklasse als auch die Arbeiter mit immer neuen Steuern und Abgaben traktiert«.

Auf dem Arbeitsmarkt gibt es hingegen andere Ursachen: Die Arbeitsrechtsreform, die Macron so wichtig war, dass er sie gleich im Sommer und Herbst 2017 als erste große Maßnahme seiner Präsidentschaft per Regierungsdekret und gegen den Widerstand der meisten Gewerkschaften durchgezogen hat, baute weitgehend die Sicherheitsmechanismen ab, die willkürliche Entlassungen verhindern sollten. Der Arbeitsmarkt wurde flexibler, denn für die Unternehmer wurde es leichter, sich im Konjunkturabschwung von überzähligen Mitarbeitern zu trennen. Die Regierung argumentierte, dass bei steigendem Bedarf rasch wieder neue Mitarbeiter unbefristet eingestellt werden, doch so einfach funktioniert das nicht. Zwar ist der Anteil der Neueinstellungen mit unbefristetem Arbeitsvertrag in den vergangenen zwölf Monaten um zehn Prozent gestiegen, doch ihre Zahl bleibt gering - mehr als 80 Prozent der neu abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse sind zeitlich befristet.

Die Unternehmer führen weiterhin zur Rechtfertigung dieser Praxis an, sie könnten viele offene Arbeitsplätze nicht besetzen, weil es zu wenig Bewerber gibt, und diese hätten oft nicht die nötige Qualifikation. Doch das stimmt nur zum Teil. In Wirklichkeit schrecken viele Angebote Gutqualifizierte durch extrem niedrige Löhne bei unverhältnismäßig schlechten Arbeitsbedingungen ab; so ist es insbesondere in der Gas-tronomie und Hotellerie oder im Baugewerbe. »Diese Regierung verfolgt eine Politik, die nicht der Beschäftigung dient«, ist der kommunistische Abgeordnete Pierre Dharréville überzeugt. »Wenn man Entlassungen erleichtert, muss man sich nicht wundern, wenn tatsächlich in großem Stil entlassen wird.«

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