Wohl oder wehe
Keine Wahl III: Frauen in Care-Berufen
Einhundert Jahre, nachdem sich Frauen in Deutschland das Wahlrecht erkämpft haben, schlägt uns dessen Begrenztheit entgegen. Gleiche Rechte sind die Ausgangsbedingung, aber sie führen nicht automatisch zu gleichen Möglichkeiten, diese Rechte in Anspruch zu nehmen. So setzen staatliche Sparmaßnahmen zur Konsolidierung klammer Kassen besonders hart an jener Infrastruktur an, die für die Sorge um sich und andere notwendig ist: im Gesundheitsbereich, in der Pflege, bei Bildung und Erziehung. Bekanntestes Beispiel ist wohl die Situation in den Krankenhäusern: Personelle und organisatorische Rationalisierungen haben dazu geführt, dass die meisten Pflegekräfte ihre Aufgaben weder zum Wohle der Patient*innen, noch unter Berücksichtigung ihres eigenen Wohlergehens erledigen können.
Davon sind Frauen doppelt betroffen: In den Sorgeberufen sind mehrheitlich Frauen beschäftigt, in der Pflege sind es etwa 85 Prozent. Frauen übernehmen zudem den steigenden Anteil der privat zu leistenden Daseinsvorsorge. Das führt dazu, dass heute 80 Prozent aller Teilzeitstellen von Frauen besetzt sind, jedoch nur 30 Prozent der Vollzeitstellen. Denn die Hälfte aller Frauen in (freiwilliger) Teilzeit sind dies heute wegen Kinderbetreuung und der Pflege Angehöriger. Männer hingegen sind nur zu einem Zehntel in dieser Rolle.
Große Reden über Vereinbarkeit bedeuten meist nur, dass Frauen noch mehr unter einen Hut packen müssen. Das hat nicht nur eine Intensivierung aller bezahlten und unbezahlten Arbeiten von Frauen zur Folge, sondern auch finanzielle Probleme. Besteht beim Bruttostundenlohn eine Lücke zwischen den Geschlechtern von 21 Prozent, beträgt diese beim Bruttojahresverdienst durch die hohe Teilzeitbeschäftigung bereits bei 37 Prozent. Der Mangel an Zeit und Geld bedeutet für die Betroffenen Stress. Die Möglichkeit, ihr eigenes Leben und das der Gesellschaft zu gestalten, ist für viele Frauen damit stark eingeschränkt. Wie kann man das ändern? Beispielsweise durch einen Um- und Ausbau der sozialen Infrastruktur und einer Reduktion der Arbeitszeiten. Für eine Demokratie sollte das keine unüberwindbare Hürde sein.
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