»Da wird Spekulation betrieben«

Kritik an Leerstand im Rhein-Main-Gebiet

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Der zunehmende Mangel erschwinglicher Wohnungen für Gering- und Normalverdiener hat im Rhein-Main-Gebiet eine neue Diskussion ausgelöst. Stein des Anstoßes ist die Tatsache, dass mitten in den südhessischen Großstädten Wohn- und Bürogebäude leerstehen, weil die Eigentümer offensichtlich auf steigende Immobilienpreise spekulieren. Kommunalpolitiker sehnen sich nach einer rechtlichen Handhabe, um Zugriff auf die Immobilien zu bekommen und wenigstens einen Teil derer auf der langen Warteliste von Wohnungssuchenden in solche Gebäude einzuquartieren.

Eine Landesverordnung gegen Wohnraumzweckentfremdung und damit gegen spekulativen Leerstand bestand in Hessen bis 2004. Dann wurde sie von der CDU-Alleinregierung unter Roland Koch außer Kraft gesetzt. Aus der Sicht städtischer Wohnungsdezernenten wurde damit den Kommunen eine Handhabe zum Eingriff gegen Leerstand aus der Hand geschlagen. Für die Wiedereinsetzung dieser Regelung hatten sich jetzt im Landtagswahlkampf SPD, Grüne und LINKE eingesetzt. Die Linksfraktion im Landtag hatte 2017 einen in diese Richtung zielenden Gesetzentwurf eingebracht, der den Kommunen die Möglichkeit gibt, gegen unbegründeten Leerstand vorzugehen. Der Antrag wurde von der schwarz-grünen Koalition und den anderen Oppositionsparteien abgelehnt.

Kürzlich sprach sich Frankfurts Planungsdezernent Mike Josef (SPD) für die Wiedereinführung der 2004 gestrichenen Verordnung aus. In der Stadt waren von 1985 bis 2004 auf dieser Grundlage 8500 leerstehende Wohnungen wieder einer Nutzung zugeführt worden. Die Not ist groß. »In der Frankfurter Innenstadt stehen dutzendweise Wohnungen leer«, so der Hessische Rundfunk (hr). Er berichtete von Straßen, in denen ganze Häuser leer stehen.

So gebe es hinter einer Gründerzeitfassade in der Allerheiligenstraße statt stilvoller Wohnungen ein Bild der Verwüstung: »Leer, ausgebrannt, kaputt, verfallen. Ich denke mal, da wird Spekulation betrieben«, zitiert die Website hr-online.de einen Stadtteilpolitiker. Die alte Verordnung sei dringend notwendig, damit »wir tatsächlich rechtlich gegen den Leerstand vorgehen können und anweisen können, dass Wohnungen oder Gebäude, die frei stehen, vermietet werden zu bezahlbaren Preisen«, so Dezernent Josef. Um den Leerstand besser zu erfassen, solle eine »Stabsstelle Mieterschutz« eingerichtet werden.

Dieser Tage beschloss der kommunale Ortsbeirat in Wiesbadens Stadtbezirk Westend auf Antrag der Fraktion DIE LINKE mit breiter Mehrheit gegen die Stimmen der CDU die Forderung nach Wiedereinführung einer gesetzlichen Grundlage, mit der Kommunen gegen spekulativen Leerstand vorgehen können. Stein des Anstoßes im Westend, das als Stadtbezirk mit der bundesweit höchsten Wohndichte gilt, ist der Leerstand eines Büro- und Wohngebäudes am Bismarckring 23. Es gehört der Frankfurter Avraham Milnitzki Immobiliengesellschaft, die in der Bankenmetropole mehrere Gebäude in bester City-Lage besitzt.

Auch wenn die Grünen derzeit die Bauministerin stellen und SPD, Grüne und LINKE im alten Landtag bis zur Neukonstituierung Mitte Januar noch eine rechnerische Mehrheit hätten, um den Worten im Wahlkampf Taten folgen zu lassen, lehnt die Ex-Öko-Partei ein mutiges Vorgehen zur Wiederherstellung der alten Regelung grundsätzlich ab. »Wir setzen nicht auf wechselnde Mehrheiten und machen nur, was im Koalitionsvertrag steht«, erklärte Grünen-Fraktionschef Matthias Wagner.

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