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Rot-Grün-Rot in Dresden auf der Kippe
Austritt dreier SPD-Fraktionäre kostet das Bündnis im Stadtrat die Mehrheit / LINKE-Fraktionschef bleibt gelassen
Mancher nahm es mit Sarkasmus. Als im Rathaus Dresden am Mittwoch die IT-Anlage zusammenbrach und Ämter wie die Führerscheinbehörde geschlossen bleiben mussten, schrieb der Dresdner Grünenpolitiker Achim Wesjohann lakonisch: »Mehrheit weg - und schon bricht das Chaos aus«.
Das Computernetz dürfte halbwegs flott zu reparieren sein. Wie gut das Linksbündnis im Stadtrat freilich den Verlust der absoluten Mehrheit verkraftet, ist eine spannende Frage. Bisher hatten LINKE, Grüne und SPD im 70 Mitglieder zählenden Stadtparlament 37 Sitze. Damit ist es seit Dienstag vorbei. Drei bisherige Mitglieder der SPD-Fraktion erklärten den Austritt und gründeten zusammen mit einem vierten Stadtrat eine neue Fraktion. Rechnerisch kann das Bündnis damit ab sofort überstimmt werden - auch beim Beschluss des Haushalts, der in zwei Wochen auf der Tagesordnung steht.
Die drei Parteien - und die Piraten, deren zwei gewählte Stadträte in der Fraktion der LINKEN mitarbeiten - hatten bei der Kommunalwahl 2014 eine Mehrheit im zuvor oft zersplitterten oder von CDU und FDP dominierten Rat errungen. Sie wurde genutzt, um sich auf gemeinsame politische Projekte zu verständigen. Es entstand ein Kooperationspapier, das 2016 fortgeschrieben wurde. Zu den Kernprojekten gehören die Neugründung einer städtischen Wohnungsgesellschaft, eine stärkere Eigenständigkeit der Ortschaftsräte, ein Sozialticket und die fußgänger-, fahrrad- und bahnfreundliche Gestaltung etlicher Verkehrsadern. Alle drei Parteien streben die Fortsetzung der Zusammenarbeit nach der Ratswahl im kommenden Jahr an. Die SPD etwa bekannte sich dazu erst kürzlich bei einem Stadtparteitag, auf dem auch die Kandidaten aufgestellt wurden.
Dabei gingen freilich drei bisherige Mitglieder der Fraktion leer aus, darunter mit Thomas Blümel ihr Geschäftsführer. Dieser sowie Christian Bösl und der parteilose Chef des Mietervereins Peter Bartels erklärten nun ihren Austritt. Zur Begründung war die Rede von einem Mangel an Zusammenarbeit mit anderen Parteien im Rat und »Arroganz der Macht«. Bösl beklagte auch einen »Linksruck« innerhalb der SPD. Der Vorstand ihrer bisherigen Fraktion bedauerte indes, dass sie aus »verletzter Eitelkeit« gegangen seien. Bei der Linksfraktion ist gar von einem »Rachefeldzug gegen die eigene Partei« die Rede.
Maßgebliche Akteure des Bündnisses stimmen allerdings nicht in bereits zu vernehmende Kassandrarufe ein, wonach Rot-Grün-Rot im Stadtrat damit ein halbes Jahr vor der Wahl Geschichte sei. Das Bündnis habe - gerade wegen eines abweichenden Stimmverhaltens der jetzt Ausgetretenen - schon bisher wiederholt auf Stimmen auf den eigenen Reihen verzichten müssen, heißt es. Weil aber der Rat jenseits des Bündnisses mit Abgeordnete von CDU, FDP, AfD und NPD heterogen ist, gewann man wichtige Abstimmungen auch mit weniger als 37 Stimmen. Eine »gefestigte Mehrheit« gegen das rot-grün-rote Bündnis, sagt LINKE-Fraktionschef André Schollbach, sei auch künftig nur möglich, wenn die Ex-SPD-Räte nicht nur mit CDU und FDP, sondern »darüber hinaus mit den Rechtsradikalen der AfD und den Nazis der NPD paktieren«.
Gedämpfter klingt die Zuversicht bei den Grünen. Deren Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne sagte, mit dem Austritt sei »eine funktionierende progressive Gestaltungsmehrheit und die politische Stabilität im Stadtrat (...) infrage gestellt.« Ihr Kollege Thomas Löser verweist freilich ebenfalls auf den Umstand, dass es »gegen RGR keinen Dresdner Haushalt« geben werde, es sei denn, die Gegenseite verhandle auch mit AfD und NPD. Löser warnte, ohne zügigen Beschluss des Etats drohe 2019 eine Haushaltssperre. Die drei Fraktionen müssten nun mit Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) beraten, wie ein solcher Beschluss gelingen könnte.
Das Bündnis im Stadtrat war in den vier Jahren seines Bestehens immer wieder in Turbulenzen geraten. Streit gab es etwa zur Eigentumsform der neuen Wohnungsgesellschaft oder um die Ansiedlung des Großmarktes Globus auf dem Gelände eines einstigen Bahnhofs. Zudem galt mit Christian Avenarius ausgerechnet der frühere Chef der SPD-Fraktion als nicht eben überzeugter Anhänger der Kooperation. Als er im Frühjahr 2018 in das Verbindungsbüro des Freistaats in Brüssel entsandt wurde, verstanden manche das auch als Schachzug seiner Partei, um die Lage in Dresden zu beruhigen. Nun sind es erneut Abgeordnete der SPD-Fraktion, die das Bündnis in Turbulenzen bringen. Es zeige sich, kommentiert der lange in Dresden beheimatete LINKE-Landesvize Silvio Lang, »wo die Fliehkräfte bei R2G am größten sind: am rechten Rand der SPD.«
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