- Berlin
- Verwaltunsgreform in Berlin
Die Verwaltung wird aufgeräumt
Bis Mai 2019 wollen Senat und Bezirke sich auf einen Zukunftspakt einigen
Es wurde eng am Dienstag im Sitzungssaal des Roten Rathauses. Der gesamte Senat und alle zwölf Bezirksbürgermeister kamen zusammen, um über die Zukunft der Verwaltung zu sprechen. Alle Beteiligten einigten sich auf ein gemeinsames, zwölfseitiges Diskussionspapier. Bis Mai kommenden Jahres soll daraus ein verbindlicher »Zukunftspakt Verwaltung« werden.
»Eine bessere Zusammenarbeit zwischen Senat und Bezirken in einer neuen Qualität« sei das Ziel, erklärt der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) in der anschließenden Pressekonferenz. »Das Problemlösungsbewusstsein ist soweit gediehen, dass wir aufhören uns vorzuwerfen, wer gerade Schuld ist«, beschreibt der Pankower Bezirksbürgermeister Sören Benn (LINKE) die neue Trautheit.
»Wir haben den Willen, dass nicht nur alles besser, sondern endlich mal gut wird«, so Benn. Das Leistungsversprechen gegenüber den Bürgern müsse formuliert und umgesetzt werden.
Konkret wurden fünf Handlungsfelder definiert. Zum Beispiel die Themen Personalentwicklung und Personalgewinnung. »Wir haben 1650 Mitarbeiterstellen in Reinickendorf, von denen etwa 80 nicht besetzt sind«, erklärt der dortige Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU). Im vergangenen Jahr wurden im Bezirk insgesamt 328 Besetzungsvorgänge für Stellen abgeschlossen. Das zeigt die enorme Fluktuation, mit der die Verwaltungen zu kämpfen haben. Das liegt zum einen am nach jahrelangem Personalabbau erfolgten Stellenzuwachs, andererseits an der hohen Anzahl an in den Ruhestand gehenden Beschäftigten. Weil über Jahre kaum jemand eingestellt wurde, stellt das einen empfindlichen Aderlass dar.
»Wir brauchen unglaublich viel Personal«, sagt Balzer. Allerdings dauerten Einstellungsvorgänge derzeit vier, fünf oder sechs Monate. Das sei zu lang. Die Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) nennt als Problem auch die unterschiedlichen Gehaltsstrukturen zwischen den Verwaltungsebenen. In Senatsverwaltungen werden für eine vergleichbare Tätigkeit wie in den Bezirken oft einige hundert Euro mehr monatlich bezahlt, was die Konkurrenz um das knappe Personal noch verschärft. Der Pankower Benn wünscht sich zumindest in Personalfragen auch ein Durchgriffsrecht, um den Wildwuchs bei Einstellungsverfahren reduzieren zu können.
Ein besonderes Schmankerl, das die Bürger und ihre Verwalter immer wieder umtreibt sind die Doppelzuständigkeiten. »Müssen Bebauungspläne von einer Instanz zur nächsten gegeben werden?«, fragt Balzer. Für Monika Herrmann gehört dazu auch die unterschiedliche Zuständigkeit für Straßen- und Parkreinigung. »Ich würde sagen die Berliner Stadtreinigung (BSR) ist das Unternehmen, das Berlin sauber hält«, so Herrmann. Daneben nennt sie auch die Aufgabenabgrenzung zwischen Polizei und Ordnungsamt. Für die Themen Müll, Parken und Lärm seien beide zuständig. »Das macht auch mich etwas wirr«, sagt sie und will, dass für alle diese Themen künftig nur noch das Ordnungsamt verantwortlich sein soll. »Dann brauchen wir mehr Personal und die Beschäftigten müssen rund um die Uhr arbeiteten dürfen«, so die Bürgermeisterin. Das müsse wiederum mit den Personalräten geklärt werden. Aber bitteschön nicht in jedem Bezirk einzeln, sondern einmal mit dem Hauptpersonalrat für alle Bezirke.
Ihr Reinickendorfer Amtskollege ärgert sich auch über das Missverhältnis zwischen dem Investitionsetat der Bezirke von 5,5 Millionen Euro und den zahlreichen vom Senat aufgelegten Sonderprogrammen, die das Zehnfache ausmachten. »Natürlich freut sich jede Senatsverwaltung, wenn sie etwas Gutes tun kann«, so Balzer. Aber die Bezirke könnten den Bedarf selbst erkennen und dementsprechend investieren, findet er.
Zum ersten mal überhaupt sei übrigens der komplette Senat mit allen Bezirkschefs bei einem Termin zusammengekommen, erklärt der Regierende Bürgermeister. »Das ist ein gutes Zeichen«, so Müller. Diesen Eindruck teilt auch der CDU-Politiker Balzer, obwohl seine Partei nicht der Regierungskoalition angehöre. »Ich habe zum ersten Mal das Gefühl, dass uns eine Verwaltungsreform wirklich voranbringen kann«, sagt er.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.