Moskau beklagt Provokation

Lawrow: »Kriegshysterie« als Vorwand für Verschärfung von Sanktionen und Donbass-Krise

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit Kursverlusten für den Rubel und im Aktienhandel reagierte am Montag die Moskauer Börse auf die Zuspitzung russisch-ukrainischer Feindseligkeiten in der Straße von Kertsch vom Vortag. Russische Politiker beschuldigten Kiew eines aggressiven Vorgehens im Schwarzen Meer, Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach von einer äußerst gefährlichen Provokation, die höchste Aufmerksamkeit erfordere.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow forderte seinerseits die »westlichen Unterstützer Kiews« nachdrücklich auf, »dort jene zur Vernunft zu bringen, die aus Kriegshysterie politischen Profit schlagen wollen«. Er argwöhnte, dass ukrainische Ultranationalisten mit einer Verhängung des Kriegsrechts für ihr gewaltsamens Vorgehen im Donbass »die Hände frei bekommen« würden.

Ungeachtet aller Turbulenzen gaben die russischen Militärs am Montagmorgen gegen vier Uhr die Straße von Kertsch für den zivilen Schiffsverkehr nach deren Sperrung am Sonntag wieder frei. Der Ort des Konfliktes wurde von einem ukrainischen Präsidentenvertreter als »nahe der Krim okkupiertes russisches Territorialgewässer« bezeichnet.

Wo genau es zur Grenzverletzung kam, war den Mitteilungen des FSB nicht zu entnehmen, vermutet wurde der Zwischenfall in der Nähe der Stadt Koktebel im Süden der Halbinsel. Auch Filmaufnahmen der russischen Marine, die vom Fernsehsender Russia Today (RT) verbreitet wurden, gaben keinen näheren Aufschluss.

Der Verlauf der Grenze in diesem Raum ist ohnehin umstritten, da Russland und die Ukraine die Krim gleichermaßen als ihr Territorium betrachten. Freies Geleit ist allerdings »bei nichtkommerziellen Zielen« - dabei auch militärischen - Schiffen unter den Flaggen Russlands und der Ukraine laut einem gemeinsamen Vertrag über die Nutzung des Schwarzen und des Asowschen Meeres gestattet.

Der Präsident des Europäischen Rates Donald Tusk beschwor prompt das in der Unterstützung der Ukraine einige Europa. Er stützte damit ungewollt das mögliche Motiv für das »provokatorische«, wenn auch »militärisch völlig sinnlose«, Vorgehen Kiews, mit dem Senator Konstantin Kossatschow, Vorsitzender des Außenpolitischen Komitees des Föderationsrates, aufwartete. NATO und Europäische Union würden »wie eine Wand« hinter Kiew stehen.

Das dazu nur allzu bereite Washington und das jederzeit willige Brüssel könnten nach dessen Logik also mit neuen Sanktionen quasi als Gehilfen des unter innenpolitischem Druck stehenden ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko dem verhassten Nachbarn einen weiteren schmerzlichen Schlag versetzen. Das Europaparlament habe am 24. Oktober eine Resolution mit der Androhung von Sanktionen verabschiedet, falls Russland das Asowsche Meer schrittweise annektieren und zu einem russischen Binnengewässer machen wolle. Zudem möchte Kiew offenbar demonstrieren, so vermuten Experten, dass sich seine Marine in der Straße von Kertsch bewegen könne wann und wie sie wolle.

Wladimir Dschabanow, Vizevorsitzender des außenpolitischen Komitees des russischen Föderationsrates, nannte als Ziel der Einführung des Kriegsrechtes in der Ukraine die »Perspektive, die Präsidentenwahlen im Frühjahr 2019 abzusagen«. Zuvor war die Zentrale Wahlkommission in Kiew mit dem Hinweis zitiert worden, solche Wahlen seien unter derartigen Umständen nicht möglich - es könne allerdings nicht näher bezeichnete »Varianten« geben, die vom Präsidenten selbst abhingen.

In der Sache bestätigte der für den Grenzschutz zuständige Inlandsgeheimdienst FSB Schusswaffeneinsatz gegen drei Schiffe der ukrainischen Marine, um sie zu stoppen. Sie seien am Sonntagvormittag in russische Hoheitsgewässer eingedrungen, hätten »illegale Aktivitäten« betrieben. Der Rede war von »gefährlichen Manövern«. Aufforderungen der Küstenwache seien ignoriert worden. Drei ukrainische Soldaten seien verletzt und medizinisch versorgt worden, aber nicht in Lebensgefahr.

Die Zeitung »Kommersant« machte mit einem Foto auf, das zwei russische Kampfjets »Suchoj 25« im Tiefflug über der neuen Brücke vom russischen Festland zur Halbinsel Krim zeigte. Nach Medienberichten waren auch zwei Kampfhubschrauber »Ka-52« aufgestiegen.

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