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Protest gegen Tarifflucht
Tausende Mitarbeiter der Supermarktkette Real demonstrieren vor Konzernzentrale
»Wir wollen in gute Hände«, steht auf zahlreichen roten Schaumstoffhänden mit erhobenem Zeigefinger. Zu Dutzenden werden die Protestutensilien am Montag von streikenden Mitarbeitern der Supermarktkette Real getragen. Dazwischen sind immer wieder Plakate zu sehen. »Ich habe Hunger, ich arbeite bei Real«, steht etwa auf einem Pappschild. Mehr als 3000 Beschäftigte haben sich in ihren gelben Westen in Düsseldorf vor der Zentrale des Mutterkonzerns Metro versammelt. Die Gewerkschaft ver.di hat zur bundesweiten Arbeitsniederlegung aufgerufen.
»Wer glaubt, wir könnten mit dieser Schande Frieden schließen, täuscht sich«, sagte ver.di-Chef Frank Bsirske auf der Bühne zu den Streikenden. Die Beschäftigten würden nicht locker lassen, das müsste ein neuer Eigentümer der Real-Märkte wissen. Auch Politiker äußerten sich zur Situation der Real-Beschäftigten. Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, war der Einladung gefolgt. »Ich will ein Zeichen setzen gegen Tarifflucht«, erklärte der Minister. Er wolle die Tarifpartner des Handels insgesamt zu Gesprächen über eine Stärkung der Tarifbindung an einen Tisch bringen. Es müsse zudem über die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen geredet werden - also über deren Geltung für die ganze Branche. Tarifbindung müsse im Zeitalter der Digitalisierung an Gewicht gewinnen.
Auch der LINKE-Abgeordnete Pascal Meiser sandte solidarische Grüße, forderte jedoch von Minister Heil konkrete Maßnahmen. »Der Umgang mit den Real-Beschäftigten ist und bleibt eine Riesensauerei«, sagte der gewerkschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion. Die Bundesregierung dürfe die Verkäuferinnen und Verkäufer nicht länger im Regen stehen lassen. »Arbeitsminister Hubertus Heil muss endlich gesetzliche Maßnahmen gegen Tarifflucht ergreifen«, so Meiser. Das Lohndumping des Metro-Konzerns verschärfe laut dem Abgeordneten die Abwärtsspirale im gesamten Einzelhandel. Real sei ein weiteres Beispiel dafür, wie rücksichtslose Konzernleitungen den sozialen Frieden gefährdeten. »Tarifverträge müssen nach Ausgliederungen uneingeschränkt weitergelten, bis ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen wurde. Vor allem müssen Tarifverträge endlich auch gegen den Willen der Arbeitgeberverbände für allgemeinverbindlich erklärt werden können«, forderte Meiser.
Laut ver.di beteiligten sich an dem Streik Mitarbeiter in knapp der Hälfte der rund 280 Märkte bundesweit. Die Real-Konzernleitung gab an, dass am Montag trotz des Streiks alle Läden planmäßig geöffnet waren. »Der Betrieb ist nicht beeinträchtigt«, sagte ein Unternehmenssprecher. Der Streik sei rechtzeitig angekündigt worden, die Filialleiter hätten ihre Personalplanungen angepasst.
Ver.di forderte mit dem Streiktag die Anwendung des Flächentarifvertrages für die rund 34 000 Beschäftigten des Unternehmens. Real hatte im Juni Tarifflucht begangen und wendet seitdem für Neueinstellungen einen mit der christlichen Kleinstgewerkschaft DHV abgeschlossenen Billig-Tarifvertrag an. Nach Angaben von ver.di wurden seit der Tarifflucht 4500 befristete Arbeitsverhältnisse nicht verlängert. Neuangestellte Mitarbeiter würden rund 23 Prozent weniger Geld verdienen. Im September hatte Metro-Chef Olaf Koch erklärt, Real verkaufen zu wollen. Die Trennung soll bis zum Frühjahr 2019 abgeschlossen sein. Als möglicher Käufer wird von Branchenkennern der umstrittene US-Konzern Amazon gehandelt.
»Der Metro-Konzern hat die Katze aus dem Sack gelassen und will Real abstoßen«, sagte Stefanie Nutzenberger vom ver.di-Bundesvorstand. »Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Beschäftigten existenzsichernde Löhne bekommen, indem für sie wieder der Flächentarifvertrag gilt.« An dieser Forderung komme auch ein neuer Besitzer nicht vorbei. Man bräuchte nun einen »umsichtigen Investor« statt »Heuschrecken«.
Unter den Mitarbeitern herrscht derweil Besorgnis. »Die befristeten Arbeitsverträge laufen aus, durch das fehlende Personal wird der Druck auf die Stammbelegschaft erhöht«, sagte der brandenburgische Real-Beschäftigte Danny Albrecht gegenüber »nd«. »Viele haben Angst, ihre Arbeit zu verlieren.«
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