- Politik
- Russland und Ukraine
Poroschenko sieht Gefahr eines »großangelegten Kriegs«
Russisches Militär soll bereits vorgerückt sein / NATO-Staaten fordern Zurückhaltung
Kiew. Im Konflikt mit Moskau verschärft der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Ton. Er warnte in einem TV-Interview vor der Gefahr eines russischen Einmarschs in sein Land. »Die Zahl der Einheiten, die entlang unserer ganzen Grenze stationiert wurden, ist um einiges gestiegen«, sagte er am Dienstag mit Blick auf das angeblich vorrückende russische Militär. Er betonte: »Dem Land droht ein großangelegter Krieg mit der Russischen Föderation.«
Konstantin Kossatschow, Chef des Außenausschusses im russischen Föderationsrat, entgegnete, sein Land habe einen Krieg gegen die Ukraine nie als Perspektive betrachtet. Er nannte Poroschenko aber einen »Präsidenten des Krieges«, wie die Agentur Interfax berichtete.
Lesen Sie auch den Kommentar: Der Konflikt wird gebraucht
US-Präsident Donald Trump zog angesichts der Krise in der Region die Absage eines Treffens mit Kremlchef Wladimir Putin beim G20-Gipfel in Buenos Aires in Erwägung. Allerdings erwarte er erst einen Bericht seines Nationalen Sicherheitsteams zur Lage. »Ich mag diese Aggression nicht«, sagte Trump der »Washington Post«. Eine offizielle Reaktion aus Moskau dazu gab es zunächst nicht. Das Treffen der beiden Präsidenten ist am Rande des G20-Gipfels am Freitag oder Samstag vorgesehen.
Die Ukraine hatte als Reaktion auf das russische Vorgehen im Meer vor der Halbinsel Krim beschlossen, erstmals das Kriegsrecht anzuwenden - etwa in den Grenzregionen zu Russland. Weil Poroschenko seinen Erlass mehrfach abänderte, war allerdings unklar, ob das Kriegsrecht bereits seit Montag gilt oder ob es erst an diesem Mittwoch in Kraft tritt. Durch das Kriegsrecht erhält das Militär Sondervollmachten.
Hintergrund sind neue Spannungen mit Russland in dem seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen den Nachbarländern. Am Sonntag hatte die russische Küstenwache Patrouillenbooten der ukrainischen Marine die Durchfahrt in der Meerenge von Kertsch vor der annektierten Halbinsel Krim verweigert. Die drei ukrainischen Schiffe wurden aufgebracht. Dabei fielen auch Schüsse. 24 Matrosen wurden festgesetzt.
Gegen die ersten Seeleute wurde inzwischen eine zweimonatige Untersuchungshaft verhängt. Ihnen wird illegaler Grenzübertritt vorgeworfen. Bei einem Prozess in Russland drohen ihnen bis zu sechs Jahre Haft.
Die NATO-Staaten forderten Russland im Konflikt mit der Ukraine noch einmal offiziell zu Zurückhaltung auf. »Es gibt keinerlei Rechtfertigung für Russlands Einsatz von militärischer Gewalt gegen ukrainische Schiffe und Marinepersonal«, hieß es in einer am Dienstag verabschiedeten Erklärung des Nordatlantikrates.
Kanzlerin Angela Merkel setzt zur Deeskalation auf eine vermittelnde Rolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die unterschiedlichen Darstellungen des Vorfalls vom Wochenende sollten an die OSZE gegeben und dort geprüft werden, sagte sie in Berlin. Die OSZE überwacht auch den Konflikt in der Ostukraine.
Der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jürgen Hardt (CDU), verlangte von Deutschland und der EU, sie müssten entschlossen gegen Russland vorgehen. »Es geht um klare Ansagen«, sagte er »Passauer Neue Presse« (Mittwoch). »Sollte Russland nicht einlenken, müssen der Westen und Europa den Druck auch mit wirtschaftlichen Sanktionen erhöhen.«
Die EU und viele westliche Länder hatten Russland und die Ukraine zur Zurückhaltung aufgerufen. Der SPD-Politiker Gernot Erler rechnet aber nicht damit, dass es zu einem Krieg zwischen beiden Ländern kommt. Dem »Mannheimer Morgen« sagte der frühere Koordinator der Bundesregierung für deutsch-russische Beziehungen: »Die Ukraine ist militärisch viel zu schwach, um eine ernsthafte Konfrontation mit Moskau wagen zu können.« dpa/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.