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Bundestag beschließt »Lex Ryanair«
Bordpersonal kann nun auch Betriebsräte wählen
Auf Antrag der Bundesregierung hat der Deutsche Bundestag am Freitag das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geändert und damit die gesetzlichen Grundlagen für die Wahl von Betriebsräten durch das in Deutschland stationierte Bordpersonal von Fluggesellschaften geschaffen. Es ging bei der von Beobachtern als »Lex Ryanair« bezeichneten Änderung um die Streichung einer anachronistischen Sonderregelung in § 117. Dort wurde festgelegt, dass eine betriebliche Interessenvertretung von Flugbegleitern und Piloten nur aufgrund eines Tarifvertrags gewählt werden kann. Damit konnten Manager von Fluggesellschaften durch Verweigerung eines Tarifvertrags Betriebsratswahlen verhindern. Nun wird ihnen dieses faktische Vetorecht aus der Hand genommen. Die Änderung tritt zum 1. Mai 2019 in Kraft.
Der Beschluss ist Folge zäher Organisationsarbeit, internationaler Vernetzung und eines engagierten historischen Arbeitskampfes von rund 1000 Beschäftigten an deutschen Basen des irischen Billigfliegers Ryanair durch die Gewerkschaft ver.di. Das Ryanair-Management unter Vorstandschef Michael O’Leary sah sich Jahren erstmals gezwungen, sich mit Gewerkschaften an einen Tisch zu setzen und Tarifverträge auszuhandeln, die erhebliche Fortschritte bei Löhnen und Arbeitsbedingungen mit sich bringen. Doch ohne Betriebsräte ist die Umsetzung tariflicher Bestimmungen vielfach nicht gewährleistet. Ryanair hat als Antwort auf Streiks bereits Beschäftigten gekündigt, die in der Probezeit waren. ver.di will dagegen vorgehen. »Wir nehmen nicht an, dass O’Leary jetzt die Samthandschuhe anziehen wird«, erklärte ver.di-Sekretärin Katharina Wesenick gegenüber »nd«.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte die Streikenden im Oktober besucht, eine rasche Initiative zur Änderung von § 117 versprochen und dafür das Bundeskabinett auf seine Seite gezogen. »Ein Riesenerfolg«, so Wesenick. Damit sei deutlich geworden, »dass eine offensive Mobilisierung von abhängig Beschäftigten und Solidaritätsarbeit in der Zivilgesellschaft und breiteren Öffentlichkeit Früchte tragen und auch Fortschritte und Veränderungen auf der politischen Ebene bringen können«, so die Gewerkschafterin. Einzigartig ist, dass mit der Änderung von § 117 ein gewerkschaftliches Anliegen binnen weniger Wochen Realität wurde, das nicht einmal im Koalitionsvertrag von Union und SPD stand.
»Sobald die Gesetzesänderung amtlich verkündet ist, wählen wir einen starken Betriebsrat«, so Wesenick. »Arbeitgeber wie Ryanair, Germania und Sunexpress haben das bisherige Schlupfloch in § 117 BetrVG für ihre Zwecke ausgenutzt. Damit ist jetzt Schluss«, erklärte für die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) ihr Präsident Martin Locher. Auch die in VC organisierten Ryanair-Piloten hatten mehrfach gestreikt. Nun könne sich kein Arbeitgeber mehr seiner sozialen Verantwortung und der betrieblichen Mitbestimmung entziehen. Die Übergangsfrist gebe allen Flugbetrieben nun die Chance, »maßgeschneiderte Tarifverträge mit den Gewerkschaften abzuschließen, bevor das Betriebsverfassungsgesetz zur unmittelbaren Anwendung kommt«.
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