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Jetzt springen andere ein
Kristina Vogel hinterlässt eine Lücke im Bahnradsport. Junge Talente sollen sie füllen
Kristina Vogel fuhr diesmal im Rollstuhl auf jenes Holzoval, auf dem die Bahnradolympiasiegerin noch vor knapp einem Jahr als mehrfache Bahnradeuropameisterin gefeiert worden war. Es war sicher der bewegendste Moment dieses Berliner Weltcupwochenendes. Rund 2500 Zuschauer erhoben sich am Sonnabend und spendeten ebenso Beifall wie ehemalige Konkurrentinnen, Betreuer und Trainer. Viele, wie Bundestrainer Detlef Uibel wischten sich Tränen aus den Augen. Vogel selbst ging es ähnlich, doch tapfer winkte sie ins Publikum. »Schön euch alle mal wieder zusehen«, sagte sie ins Mikrofon des Hallensprechers.
Danach ehrte Bundesaußenminister Heiko Maaß die 28-jährige Erfurterin als deutsche »Radsportlerin des Jahres«. Die noch amtierende Sprintweltmeisterin bedankte sich schnell und verließ nach etwa zehn Minuten wieder das Velodrom, um in die Unfallklinik Berlin zurückzukehren. Vogel hatte sich bei einem Sturz im Sommer auf der Cottbuser Radrennbahn eine Querschnittslähmung zugezogen. Noch immer steckt sie mitten in der Reha. Auf dem Rad wird sie nie wieder sitzen können.
Ihre Nachfolger sollten ohne sie beim Heimweltcup sechsmal aufs Siegerpodest fahren. Über einen Sieg durfte sich jedoch nur der Chemnitzer Joachim Eilers im 1000-Meter-Zeitfahren freuen. Die Teamsprinterinnen und Emma Hinze im Keirin rasten zu Silber. Die kurzen Distanzen bleiben die Stärke des deutschen Bahnradsports.
Seit 27 Jahren lenkt Bundestrainer Uibel die Geschicke der Sprinterinnen und Sprinter. Dass in Berlin nur Eilers sein Rennen gewann, ist für den 59-jährigen Trainer kein Grund, Trübsal zu blasen. Denn noch ist nicht die Zeit, unbedingt ganz vorn sein zu müssen. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit vordere Platzierungen zu belegen ist ihm wichtiger, denn längst geht es um Qualifikationspunkte für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. »Wir haben bei den Männern im Teamsprint den dritten Rang belegt. Damit stehen wir im Qualifikations-Ranking für Olympia nun auf dem vierten Platz bei acht Teams, die es am Ende schaffen werden«, rechnete Uibel vor. »Wenn wir in zwei Wochen in London noch mal aufs Podium fahren, sieht es mit der Olympiaqualifikation gut aus.«
Die Qualifikation im Team wäre gleich mehrfach wichtig. Es ist traditionell eine medaillenträchtige Disziplin, und mit der Nominierung erhielten automatisch zwei deutsche Sprinter auch ihre Starberechtigung im Einzelsprint und Keirin für Tokio. Gleiches trifft auch auf die Frauen zu. Da allerdings gesteht Sportdirektor Patrick Moster vom Bund Deutscher Radfahrer, dass man mit Kristina Vogel »eine Jahrhundertsportlerin« verliere, die von einer Athletin allein nicht zu ersetzen sei. Detlef Uibel zeigt sich dennoch optimistisch, dass Die Olympiaqualifikation gelingen kann. »Sicher ist Kristina ein riesiger Verlust. Zum Glück erhält Miriam Welte aber Unterstützung durch äußerst talentierte Nachwuchsfahrerinnen wie Pauline Grabosch und Emma Hinze sowie die erst 18 Jahre alte Juniorenweltmeisterin Lea Sophie Friedrich.« Welte war gemeinsam mit Vogel 2012 Olympiasiegerin geworden.
Nach dem Karriereende von Stefan Nimke und Rene Enders müssen auch die Männer einen Aderlass verkraften, doch Trainer Uibel sieht auch hier nicht schwarz: »Ex-Weltmeister Stefan Bötticher ist nach langer Verletzungspause wieder auf einem guten Weg. Er verfügt noch nicht ganz über den gewohnten Bums, aber bis zur WM im März könnte die Form schon stimmen.«
Mit den Erfolgen von Vogel und Co. konnten die Männer in jüngster Vergangenheit nur selten mithalten. So überraschte es nicht, dass mit dem Berliner Maximilian Schachmann ein Straßenprofi als »Radsportler des Jahres« neben Vogel geehrt wurde. Weltmeister im Teamzeitfahren, Etappensieg beim Giro d’Italia, EM-Bronze: Es war ein starkes Jahr des 23-Jährigen, der mit elf beim RC Berlin-Marzahn begonnen hat. Später trainierte ihn DDR-Friedensfahrer Hans Scheiber vom SC Berlin, der ihn bereits bei den Junioren in die Weltklasse führte.
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