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- Amad A.
Feuertod unter Aufsicht
Rechtsgutachten widerspricht offiziellen Schlussfolgerungen aus Brand in der JVA Kleve
Es ist ein Fall, der noch immer unglaublich klingt. Am 17. September starb der 26-jährige Syrer Amad A. in der Justizvollzugsanstalt Kleve. Er soll ein Feuer in seiner Zelle gelegt und Selbstmord begangen haben. So lautet zumindest die offizielle Version der Geschehnisse von dem Abend, an dem der junge Mann starb. Als Amad A. starb, saß er bereits zwei Monate zu Unrecht im Gefängnis. Er war Opfer einer Verwechslung geworden. Gesucht wurde ein anderer Mann mit dem gleichen Namen. Eine einfache Überprüfung bei der Polizei reichte, um Amad A. wegzusperren.
Nach einem Bericht, den der nordrhein-westfälische Justizminister Peter Biesenbach (CDU) Anfang November vorgelegt hatte, soll Amad A. seine Matratze in Brand gesteckt haben. Eine Viertelstunde soll es gedauert haben, bis er bei den Wärtern um Hilfe bat. Der offiziellen Darstellung entgegen stehen ein Rechtsgutachten und Recherchen des Magazins »Monitor«. Die Journalisten haben Experten vom Institut für Brand- und Löschforschung aus Dippoldiswalde damit beauftragt, ein eigenes Brandgutachten durchzuführen.
Die Brandsachverständigen sind der Meinung, dass Amad A. nach einer Viertelstunde in einer geschlossenen Zelle gar nicht mehr in der Lage gewesen sein kann, selbstständig nach Hilfe zu rufen. Zu viele giftige Rauchgase müssen sich in dieser Zeit in dem Raum gebildet haben. »Ohne Atemschutzmaßnahmen würde die Person ab den ersten Brandminuten Rauchgase aufnehmen, die in ihrer Wirkung toxisch sind und eine zielgerichtete Handlung nicht mehr möglich machen«, heißt es in dem Gutachten. Ähnlich äußert sich Marcel A. Verhoff, Direktor der der Rechtsmedizin in Frankfurt am Main, gegenüber »Monitor«: »Bei einem derart starken Brand, wie es da beschrieben ist, halte ich es für sehr schwer nachvollziehbar, dass die Person nach einer Viertelstunde noch so weit handlungsfähig war. Ich würde eher erwarten, dass die Person dann längst bewusstlos ist«.
Schwerwiegend sind auch die Aussagen eines ehemaligen Mithäftlings, die dem ARD-Magazin vorliegen, »Einige Leute haben ja auch gesehen, dass es da gebrannt hat. Amad wurde ja auch hilfeschreiend am Fenster gesehen. In der Freistunde wurde mir erzählt, dass Amad am Fenster war, um Hilfe gerufen hat, wohl auch gegen die Tür getreten hat.« Nach Darstellung der NRW-Landesregierung haben die Justizbeamten einen Anruf von Amad A. angenommen, ihm aber nur einige Sekunden Zeit gegeben sich zu äußern. Als dann wenig später Justizbedienstete seine Zelle öffneten, kam jede Hilfe zu spät.
Die Umstände der Verwechslung von Amad A. und wie es zu seinem Tod kommen konnte, werden in den kommenden Monaten von einem Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags untersucht. Grüne und SPD hatten Ende November die Einsetzung des Ausschusses beantragt, die Regierungsfraktionen CDU und FDP stimmten ihm zu. Nicht untersucht werden allerdings die allgemeinen Zustände in den Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen. Diese sind alarmierend. Ende November brannte es ein zweites Mal in der JVA Kleve, am 1. Dezember kam es im Hammer Gefängnis zu einem Brand. Beide Male blieb es bei Verletzten. In der JVA Hagen starb im Oktober ein Gefangener an einer Infektion mit Legionellen. Der Grund dafür ist bis heute unklar.
Ein Grund für die Missstände dürfte sein, dass die Justiz in Nordrhein-Westfalen unter einem enormen Personalmangel leidet. Über eine halbe Million Überstunden haben die Bediensteten im Strafvollzug angehäuft. Dazu erklärte Sonja Bongers, rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag NRW: »Für diesen katastrophalen Zustand ist Minister Biesenbach höchstpersönlich verantwortlich. 1135 neue Stellen waren mit dem Haushalt 2018 für Justiz und Strafvollzug vorgesehen.« Diese Stellen bleiben oft unbesetzt, das Gefängnispersonal ist damit überfordert. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das nächste NRW-Gefängnis in die Schlagzeilen gerät.
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