Die Leiden des Boris Palmer

Über Leute, die Berlin nicht braucht

  • Maria Jordan
  • Lesedauer: 3 Min.

Boris Palmer ist einer dieser Idioten, über die man sich eigentlich nicht aufregen sollte, es aber trotzdem tut. Dass er straffällige Geflüchtete in Kasernen im Bayerischen Wald einsperren will, um sie dann abschieben zu lassen, kann nicht anders als wütend machen. Auch sein Kommentar zu einem Twitternutzer, der meint, dass Palmer an seiner Unbeliebtheit selbst schuld sei, erhitzt das Gemüt, zumindest meins (»So wie Frauen Schuld sind, wenn sie vergewaltigt werden«, sagt Palmer). In dieser Woche hat der Tübinger Oberbürgermeister nun versucht, mit Lästereien über Berlin Aufmerksamkeit zu erregen. Und so gerne ich Palmers Gelaber ignorieren und meilenweit darüber stehen würde, ich kann es nicht.

Nicht nur, weil es mich sauer macht, was er für ein Würstchen ist (»Wenn ich dort ankomme, denke ich immer: ›Vorsicht, Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands‹«). Berlin als Dritte-Welt-Land zu deklarieren, scheint bei einer gewissen Klasse (Wahl-?)Berliner*innen ja Trend zu sein, das zeigt der ellenlange Jammerartikel eines Schweizer Kollegen, der leider immer noch in Charlottenburg wohnt.

Dass Palmer angibt, mit der »Mischung aus Kriminalität, Drogenhandel und bitterer Armut auf der Straße« nicht klarzukommen, entlockt mir ein mildes Lächeln. Warum er trotzdem kommt, fraglich. Haben will ihn hier keiner, jedenfalls keine Berliner*in - ja, so weit gehe ich! Denn was wir in dieser Stadt nicht brauchen, sind Leute, die aus behüteten Kleinstädten und bürgerlichen Verhältnissen nach Berlin kommen und dann nichts anderes tun, als unsere Heimat schlechtzumachen.

Was wir nicht brauchen, sind Enklaven gut situierter Pseudo-Kosmopoliten, die dann ihre selbst errichteten Wohlfühlzonen (Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Charlottenburg) nicht mehr verlassen, weil sie keinen Bock auf Dreck und Schrippen haben, sondern auf Designermöbel und Wecken. Und wir Berliner*innen bleiben bitteschön draußen. Was wir nicht brauchen, sind Leute, die ihren Freunden und Verwandten in der ländlichen Provinz aus ihrem (selbstgewählten) Exil davon berichten, wie unfreundlich und scheiße die Menschen in Berlin sind.

Was wir nicht brauchen, sind hochnäsige Gentrifizierer, die sich von der Armut in Berlin in ihrer Crémantblase gestört fühlen und auch noch den Nerv haben, sich darüber zu beschweren, dass das Elend für sie nicht aus der Stadt gefegt oder hübsch verkleidet wird. Wer ist es eigentlich, der sich hier nicht benehmen kann? Wir Berliner*innen halten höflich die Klappe, obwohl ihr euch unsere Heimatstadt zu eigen macht, unsere Kultur verschmäht, uns aus unseren Kiezen verdrängt und dann auch noch beleidigt. Und obwohl ihr hier alles scheiße findet, seid ihr immer noch da.

Aber wenn ihr so weiter macht, habt ihr die Stadt bald sicher für euch. Wir können sie uns eh nicht mehr leisten, dank euch wird das Leben hier noch härter. Wir kennen harte Zeiten, deswegen sind Berliner*innen so leidensfähig. Und in der Lage, all das zu ertragen. Aber kommen Sie doch ruhig mal wieder her, Herr Palmer. Wenn alle Berliner*innen weg sind.

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