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EVG streikt, Bahn steht
Arbeitskampf bei der Deutschen Bahn am Montagmorgen / Einschränkungen für Pendler
Um 5 Uhr ist die Welt am Dortmunder Hauptbahnhof noch in Ordnung. Nur für zwei Züge sind an der Abfahrtstafel Verspätungen angeschlagen. Pendler eilen durch das stille Gebäude, in den Bahnhofsgeschäften werden langsam die Auslagen aufgebaut. Wer so früh unterwegs ist, hat Glück gehabt: Er bekommt einen der letzten Züge bevor der Streik anrollt.
Die Gewerkschaft will im Tarifkonflikt mit der Bahn ihre Forderungen durchsetzen. Am Samstag hatte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) die Verhandlungen für rund 160.000 Beschäftigte abgebrochen. Bei der Lohnerhöhung war der Konzern der Gewerkschaft aus deren Sicht nicht weit genug entgegengekommen. »Zum 1. März 2019 wollte die DB AG nur 2,5 Prozent statt der von uns geforderten 3,5 Prozent mehr bezahlen, zudem sei die Laufzeit von 24 auf 29 Monate verlängert worden, das ist für uns kein abschlussfähiges Angebot. Die Laufzeit ist zu lang, die Prozente sind daran gemesssen zu niedrig«, stellte EVG-Verhandlungsführerin Regina Rusch-Ziemba fest. Nach drei Tagen ergebnisloser Verhandlungen habe man sich deswegen zum Warnstreik entschlossen, wolle aber noch dieses Jahr einen neuen Tarifvertrag aushandeln. »Wir sind allein unseren Mitgliedern verpflichtet und vertreten ausschließlich deren Interessen«, sagte EVG-Bundesgeschäftsführer Torsten Westphal. »Es sind unsere Kolleginnen und Kollegen, die rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr, versuchen, den Personen- und Güterverkehr in Deutschland zu gewährleisten. Und dies trotz permanentem Personalmangel und den daraus resultierenden vielen Überstunden«, erklärte er.
Gegen 6 Uhr hat sich das Bild am Hauptbahnhof in Dortmund komplett geändert. Nur ganz vereinzelt fahren noch Züge. Auf dem Anfahrtsplan ist immer wieder der Satz »Zug fällt aus.« zu lesen. Die Vorhalle des Bahnhofs ist voller Menschen. Die einen stehen in langen Schlangen vor dem Informationsschalter. Helfen können ihnen die Bahn-Mitarbeiter nicht, nur um Verständnis bitten. Vereinzelt werden die Reisenden lauter. Eine Frau beklagt die schlechte Kommunikation der Bahn. »Hätten Sie vor einer Stunde, als ich die Hotline angerufen habe, gesagt, dass der Zug ausfährt, hätte ich andere Möglichkeiten gehabt«, echauffiert sie sich. Andere versuchen per Telefon eine Reisemöglichkeit zu organisieren. Arbeitskollegen werden angerufen, Verwandte aus dem Bett geklingelt.
Als sich Erhard Mattes von der EVG gegen 7 Uhr in den Hauptbahnhof begibt, um die Kollegen zu besuchen, die Züge betreuen und am Infoschalter arbeiten, da schlägt im von Reisenden viel Unverständnis entgegen. Mit seiner blauen Gewerkschaftsjacke ist er gut zu erkennen. »Hör mal, ich bin ja auch in der Gewerkschaft und finde Streiks gut, ihr übertreibt es aber!«, sagt ein Mann. Mattes antwortet ruhig und sachlich: »Guck dich mal um, frag die Kollegen, die die Züge reinigen und im Sicherheitsdienst arbeiten mal, was sie verdienen.« Der Reisende antwortet: »Oh, ich dachte, ihr streikt nur für die Lokführer.« Der Gewerkschafter antwortet ihm, dass es um mehr für Alle im Bahn-Konzern geht. Das versteht sein Gesprächspartner.
So einfach hat es Erhard Mattes nicht mit jedem. Ein junger Mann, der nach Düsseldorf muss, hört sich an, was Mattes zu sagen hat. »Das ist schon besser, als dass die Bahn wegen Wind oder Schnee ausfällt«, sagt er. Sein Verständnis hält sich trotzdem in Grenzen. Er schimpft, dass auch die Gewerkschaft besser hätte informieren können, wann sie streikt.
In der Alten Post, nah am Bahnhof, hat die EVG ihre Streikzentrale aufgebaut. Viele Bahnmitarbeiter stehen hier bei einem heißen Kaffee beieinander. Eine Bahnmitarbeiterin aus dem Bereich Service sagt: »Den Leuten sollte klar sein, dass es uns nicht nur um ein paar Cent mehr pro Stunde geht, sondern um bessere Arbeitsbedingungen.« Sorgen macht sie sich über das Ende des Warnstreiks. »Die Kollegen, die heute noch Kundenkontakt haben, haben richtig den Schwarzen Peter gezogen«, erklärt sie.
Der Streik zu Beginn der Arbeitswoche ist unbeliebt. Dagegen hilft auch alles gute Zureden nichts. Wie es in der Auseinandersetzung weiter gehen soll, ist derzeit unklar. In Dortmund machten Gerüchte die Runden, dass EVG und Bahn sich schon am Dienstag wieder zu Verhandlungen treffen wollten.
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