In guter Gesellschaft

Markus Drescher über Bürgersinn und Sinn der Bürger

Streit, Spaltung, die berühmte aufgehende Schere: Deutschland im Jahr 2018 vermittelt den Eindruck, dass es zunehmend ungemütlich wird in diesem Land. Und wer hat nicht zumindest manchmal den Eindruck, dass Rücksichtnahme so was von nicht mehr angesagt ist, man sich in einem Meer von ausgefahrenen Ellbogen bewegt und sich die Leute mehr als Gegner begegnen denn als Mitmenschen - völlig unabhängig davon, welche Herkunft das Gegenüber hat.

Glaubt man der neuen Bertelsmann-Studie, so ist die gesellschaftliche Spaltung gar nicht so gravierend, wie es den Anschein hat. Ist sich doch die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung alles in allem einig darüber, was einen guten Bürger ausmacht - und die meisten halten sich auch für einen solchen. Wie kommt es also, dass sich diese Ansammlung lauter guter Bürger so gar nicht danach anfühlt, als wäre man auch in guter Gesellschaft? Ist das diese faktenverachtende »gefühlte Wahrheit«, die ungewollt Besitz von einem ergreift? Oder offenbart sich hier schlicht die Diskrepanz zwischen dem gewünschten Bürgersinn und dem, was den Bürgern tatsächlich in den Sinn kommt? Ersteres mit Letzterem in Einklang zu bringen, ist vielleicht eine der größten Herausforderungen. Die auch jeder für sich annehmen muss, der selbst in guter Gesellschaft leben möchte.

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