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UN-Gipfel billigt Regelwerk zum Klimaschutz
Umweltverbände kritisieren in Polen gefasste Beschlüsse / Greenpeace: »Ein Jahr voller Klima-Katastrophen und eindringliche Warnungen der besten Wissenschaftler weltweit hätten zu viel mehr führen sollen.«
Katowice. Der Weltklimagipfel in Polen hat ein Regelwerk zum Klimaschutz beschlossen, das die Erderwärmung und ihre fatalen Folgen wie Dürren, Stürme und Überschwemmungen bremsen soll. Das nach zwei Wochen zäher Verhandlungen in Katowice von fast 200 Staaten gebilligte Dokument legt fest, dass ab 2024 alle Länder regelmäßig berichten müssen, wie viel Treibhausgase sie ausstoßen und was sie dagegen tun. UN-Generalsekretär António Guterres sprach in der Nacht zum Sonntag von einem »soliden« Ergebnis, mahnte aber erneut zu mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz.
Lesen Sie den Kommentar zum Klimagipfel von Susanne Götze: »Klimaschutz im Visier der Rechten«
Das gut 130 Seiten starke Regelbuch setzt das als historisch eingestufte Pariser Klimaabkommen von 2015 praktisch um. Ziel ist, die Erderwärmung auf unter zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Schon jetzt hat sich die Erde um etwa ein Grad erwärmt, in Deutschland sogar noch etwas stärker.
Umweltverbände zeigten sich unzufrieden und mahnten zu mehr Klimaschutz und Solidarität mit armen Ländern. Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan wies darauf hin, dass etwa ganzen Nationen das Versinken im Meer und damit die »Auslöschung« drohe. »Ein Jahr voller Klima-Katastrophen und eindringliche Warnungen der besten Wissenschaftler weltweit hätten zu viel mehr führen sollen.« NABU-Klimaexperte Sebastian Scholz kritisiert von allem die Regierung in Berlin: »Bestes Beispiel für das Versagen im nationalen Klimaschutz ist der aktuelle Streit über den Kohleausstieg. Zunächst hat sich die Bundesregierung der Verantwortung entledigt und die Diskussion der Kohlekommission übertragen, um schließlich die Ergebnisfindung durch gezieltes Eingreifen in den Prozess zu sabotieren.«
Sabine Minninger von Brot für die Welt nannte es bedauerlich, dass keine Einigung auf finanzielle Unterstützung von besonders armen und verletzlichen Staaten bei der Bewältigung von Klimaschäden zustande kam. Michael Schäfer vom WWF stellte fest: »Die Regierungen der Welt brauchen viel mehr Druck von ihren Bürgerinnen und Bürgern, endlich mit dem Klimaschutz Ernst zu machen.« Das Präsidiumsmitglied des Deutschen Naturschutzrings, Hermann Ott, warf einer kleinen Gruppe von Staaten, »notorisch die USA, Russland und Saudi-Arabien«, vor, die Verhandlungen in Polen aus Eigeninteresse gebremst zu haben, um ihre heimische Öl- und Gasindustrie zu schützen.
Umweltschützer und die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Entwicklungsländer hatten gehofft, dass die alarmierenden Befunde im 1,5-Grad-Bericht des Weltklimarats IPCC die internationale Gemeinschaft wachrütteln und zu mehr Ehrgeiz im Klimaschutz bewegen würden. Denn auch die dünne Schneedecke, die Katowice in der Nacht überzog, sollte aus ihrer Sicht nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Erde auf eine potenziell katastrophale Erwärmung von drei Grad zubewegt.
Die Verhandlungsführer konnten sich nicht einmal darauf einigen, den IPCC-Bericht zu »begrüßen« und ihn damit zur Handlungsgrundlage der Klimapolitik zu erklären. Insbesondere die USA und Saudi-Arabien wollten nicht mitziehen. »Das war mehr als enttäuschend«, bilanzierte der Vorsitzende der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder, Gebru Jember Endalew.
Die Verhandlungen sollten eigentlich am Freitag enden, zogen sich aber hin bis durch die Nacht. Sitzungen wurden immer wieder verschoben. Die Entscheidung fiel schließlich erst einen ganzen Tag später - was für Klimagipfel aber nichts Ungewöhnliches ist. Zuletzt hatten noch Brasilien und die Türkei für Verzögerungen gesorgt.
Strittig waren in Katowice auch Fragen rund um Finanzhilfen der reicheren Länder für die ärmeren. Beschlossen wurde nun: Die Geberländer müssen künftig zwar allgemein angeben, welche Hilfen sie geben wollen. Wie viel und an welches Land genau ist damit aber nicht festgelegt. Bis zuletzt gab es auch Ärger um den internationalen Handel mit Verschmutzungsrechten; dieses Kapitel wurde nun ausgespart und vertagt.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hatte auf der Konferenz mit einem Bündnis aus Industrie- und Entwicklungsländern mehr Ehrgeiz im Klimaschutz gefordert. Deutschland hinkt den eigenen Zielen seit längerem hinterher. Derzeit berät eine Kommission, wie der Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle-Stromproduktion laufen soll. Auch zum Klimaschutz im Verkehr tagt eine Arbeitsgruppe. Im kommenden Jahr soll ein Klimaschutzgesetz für den Bund verabschiedet werden.
Der nächste UN-Klimagipfel tagt in Chile, und zwar nach Angaben des dortigen Umweltministeriums entweder im Dezember 2019 oder im Januar 2020. Agenturen/nd
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