»Spiegel«: Reporter erfand und manipulierte Artikel

Journalist hatte für seine Artikel zahlreiche Preise erhalten / »Spiegel« will nun seine Arbeitsabläufe überprüfen

  • Lesedauer: 3 Min.

Hamburg. »Der Spiegel« hat einen Betrugsfall im eigenen Haus offengelegt. Ein mehrfach ausgezeichneter Reporter, Claas Relotius, habe im großen Umfang eigene Geschichten manipuliert, berichtete das Magazin am Mittwoch. Der 33-jährige Journalist habe die Fälschungen inzwischen zugegeben und das Haus verlassen. Für seine Reportage über einen syrischen Flüchtlingsjungen hatte Relotius vor wenigen Tagen noch den Deutschen Reporterpreis 2018 erhalten. »Vieles darin ist wohl erdacht, erfunden, gelogen«, heißt es jetzt auf »Spiegel Online« über den Artikel. »Zitate, Orte, Szenen, vermeintliche Menschen aus Fleisch und Blut. Fake.«

Relotius flog den Angaben zufolge nach einem Bericht über eine amerikanische Bürgerwehr auf, die entlang der Grenze zu Mexiko Streife läuft (Titel: »Jaegers Grenze«). Eine Aktivistin, die für diese Gruppe die Pressearbeit macht, fragte per E-Mail an, wie Relotius einen Artikel über ihre Organisation verfassen könne, ohne für ein Interview vorbeizukommen. Auch ein Arbeitspartner und Kollege von Relotius, der Journalist Juan Moreno, schöpfte im Zuge der gemeinsamen Arbeit verdacht und recherchierte wochenlang zur Arbeit seines Partners - zum Teil auf eigene Kosten.

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Zu den Zeitungen, für die der Reporter Relotius ebenfalls geschrieben hat, gehören laut »Spiegel« die »Neue Züricher Zeitung am Sonntag«, »Cicero«, die »Financial Times Deutschland«, »taz«, »Welt«, das SZ-Magazin, »Zeit online« und die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat auf den am Mittwoch öffentlich gewordenen Betrugsfall beim »Spiegel« mit Betroffenheit reagiert. »Der vermeintliche Reporter hat nicht nur dem 'Spiegel' großen Schaden zugefügt, sondern die Glaubwürdigkeit des Journalismus in den Dreck gezogen«, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall in Berlin. Der DJV-Vorsitzende hob die »Informationsoffensive« von »Spiegel«-Chefredakteur Ullrich Fichtner positiv hervor. Fichtner hatte den Betrugsfall »in eigener Sache« auf »Spiegel-Online« ausführlich dargestellt.

»Das ist ein wichtiger erster Schritt«, kommentierte der DJV-Vorsitzende. In der Folge komme es darauf an, die interne Qualitätssicherung journalistischer Arbeit auf den Prüfstand zu stellen. Das gelte auch für die anderen Medien, für die der ehemalige »Spiegel«-Journalist Claas Relotius außerdem gearbeitet haben soll. Überall appellierte an diese Medien, bei der Aufarbeitung der Fälschungen unbedingt zu kooperieren: »Nur so lässt sich verloren gegangenes Vertrauen der Leser zurückgewinnen.«

»Der Spiegel« kündigte an, Arbeitsabläufe, Dokumentationspflichten und organisatorische Rahmenbedingungen im Haus zu überprüfen, um »die Verlässlichkeit von Recherche und Verifikation zu erneuern« und das Vertrauen in die Arbeit der Redaktion wiederherzustellen. Eine unabhängige Kommission aus drei erfahren internen und externen Personen solle allen Hinweisen auf Manipulation nachgehen. Sie werde Prozesse und Routinen prüfen und Vorschläge zur Verbesserung erarbeiten. Der Kommission sollen den Angaben zufolge der ehemalige stellvertretende Chefredakteur des »Spiegels«, Clemens Hoeges, und Stefan Weigel, bislang stellvertretender Chefredakteur der »Rheinischen Post« und ab 1. Januar »Spiegel«-Nachrichtenchef, angehören. Mit einer dritten, externen Person sei man derzeit im Gespräch. epd/nd

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