Wachstumsziele deutlich verfehlt

Der Ökonom Pavel Vidal über die Gründe für die schwierige Wirtschaftslage auf Kuba

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Für die kubanische Wirtschaft ist der Einsatz von Ärzten und medizinischem Personal in Ländern wie Venezuela, Brasilien oder Angola eine wichtige Einnahmequelle. Nun hat die Regierung in Havanna aber den Abzug von rund 8000 Kubanern aus Brasilien eingeleitet. Wie hart trifft das den Staatshaushalt?

Kubas Wirtschaft lebt zu einem erheblichen Teil vom Auslandseinsatz von Medizinern und Pflegepersonal. Das ist seit 20 Jahren die wichtigste Deviseneinnahmequelle. Zwar ist der wichtigste Kooperationspartner nach wie vor Venezuela, aber die Einnahmen aus Brasilien belaufen sich auf 300 bis 400 Millionen US-Dollar, und es wird nicht einfach, diesen Einnahmeausfall zu kompensieren.

Pavel Vidal
Der aus Havanna stammende Ökonom Pavel Vidal hat viele Jahre als Finanzexperte bei der Nationalbank Kubas und später am Studienzen-trum der kubanischen Wirtschaft gearbeitet. Seit sechs Jahren lehrt der 43-Jährige an der Universität Javeriana in Cali (Kolumbien).

Angesichts der angespannten Haushaltslage alles andere als einfach.

Genau, die Wirtschaft der Insel ist alles andere als stark. In den letzten zwei, drei Jahren hat sich die Krise in Venezuela negativ ausgewirkt, und die Nachricht aus Brasilien sorgt für zusätzliche Probleme. Zwar könnte Mexiko kubanische Ärzte anfordern, aber das ist bisher nur ein Gerücht.

Wie ist das Jahr 2018 für Kubas Wirtschaft insgesamt gelaufen?

Anvisiert war für dieses Jahr ein Wachstum von rund zwei Prozent. Doch die optimistische Prognose musste die Regierung nach dem ersten Halbjahr korrigieren. Seitdem gilt die Wachstumsprognose von 1,1 Prozent, und ich glaube, dass sie deutlich unterschritten werden wird. Ich gehe von einer Stagnation aus.

Warum ist die Wirtschaft nicht dynamischer? Ist der Tourismusboom wieder zum Erliegen gekommen?

Die Tourismuszahlen steigen weiter, aber langsamer. Zudem entfällt ein erheblicher Teil auf den Kreuzfahrttourismus, und der bringt wenig Geld auf die Insel. Die Besucher werden an Bord versorgt, suchen weniger häufig Restaurants auf und nutzen nicht die Hotels. Ein anderer Faktor ist, dass der US-Tourismus nach den Maßnahmen der Regierung von Präsident Donald Trump fast zum Erliegen gekommen ist.

Die kubanische Regierung hat mit der im August 2017 erfolgten Stornierung der Ausgabe von Lizenzen für den Privatsektor auf unbestimmte Zeit aber auch selbst für einen ökonomischen Dämpfer gesorgt. Die Signale, mehr Kontrolle im Privatsektor durchzusetzen, waren letztlich kon-traproduktiv.

Eigentlich standen doch weitere Reformen auf der Agenda der Regierung.

Die Reformagenda liegt vor, aber sie wird nicht in die Praxis umgesetzt. Die Einführung eines Genossenschaftssektors liegt genauso auf Eis wie die Reformen im Agrarsektor. Dort ist es erneut zu einer Missernte im Zuckerrohrsektor gekommen - die Erträge sanken um 40 Prozent. Auch in anderen Bereichen der Landwirtschaft kam es zu Einbußen, und bei der Produktion von Nickel deutet alles auf Stagnation hin. Das sind negative Vorzeichen.

Immerhin wurde vor wenigen Tagen beschlossen, dass nach mehr als 16 Monaten wieder Lizenzen für die Arbeit auf eigene Rechnung ausgegeben werden. Nach viel Kritik hat es eine ganze Reihe von Änderungen gegeben. Ein positiver Faktor?

Ja, ohne jeden Zweifel, denn die Regierung hat auf die Kritik von Selbstständigen reagiert und mehrere Vorgaben geändert - zugunsten der Kleinunternehmer. Das ist ein Novum und könnte für Dynamik im Privatsektor sorgen.

Wie beurteilen Sie die Perspektiven für das Jahr 2019?

Etwas positiver, denn im Tourismus ist die Tendenz im letzten Jahresabschnitt positiv, und der Privatsektor könnte dank der Kurskorrektur der Regierung wieder an Dynamik gewinnen. Hinzu kommt, dass im nächsten Jahr mehrere größere Investitionsvorhaben, vor allem aus dem Ausland, zum Tragen kommen. Das könnte der kubanischen Wirtschaft etwas Rückenwind geben.

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