Untersuchung von Erdgas und Schlamm

Niedersachsen legt Studie vor - Anlass sind häufige Krebserkrankungen im Raum Bothel

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Erschreckend klang eine Meldung, die das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen im September 2014 veröffentlichte: In der Samtgemeinde Bothel, sie liegt zwischen Hamburg und Bremen, war die Zahl der an Blutkrebs erkrankten Männer von 2003 bis 2013 gegenüber vergleichbaren Regionen deutlich erhöht. Die tragische Entwicklung setzte sich in den Jahren 2014 und 2015 fort und lies in der Bevölkerung die Frage nach der Ursache immer lauter werden. Sie wird von vielen der rund 8200 Einwohner nach wie vor in der Erdgasförderung vermutet. Die Gegend, sie gehört zum Landkreis Rotenburg an der Wümme, birgt einen Großteil der Erdgasvorkommen Deutschlands. Das Unternehmen Exxon Mobil gewann und gewinnt den Energieträger dort seit langem aus der Tiefe.

Haben sich die Suche und das Fördern des Gases und die dabei entstandenen Schlammgruben schädlich auf die Gesundheit von Menschen ausgewirkt, die nahe der Bohrstellen wohnten oder wohnen? Um diese und weitere Fragen zur Ursache der Krebshäufigkeit zu klären, hatte Niedersachsens Sozialministerium im Sommer 2015 an zahlreichen Erdgasförderplätzen den Boden überprüfen lassen, später dann Ziel eine umfangreiche Studie in Auftrag gegeben, die jetzt in Hannover vorgestellt wurde.

Die Studie bestätigt die auffällige Zunahme von Krebsfällen im Raum Bothel und erinnert an eine Untersuchung, die der Landkreis Rotenburg 2017 vornehmen ließ. Ihr Ergebnis: Es gebe Hinweise, »dass vor allem eine wohnliche Nähe zu Bohrschlammgruben einen Zusammenhang zu hämatologischen Krebserkrankungen aufweisen könnte«. Für die Nähe zu Anlagen der Gasförderung dagegen sei nur ein schwacher Hinweis zum vermehrten Auftreten von Krebs zu finden gewesen.

Die Erdgasgewinnung als generelle Ursache von Krebserkrankungen bei Menschen in Wohnortnähe von Förderanlagen oder Schlammgruben könne auch die aktuell präsentierte »Abstandsstudie« nicht nachweisen, so das Sozialministerium, das für die Expertise 15 Landkreise mit Erdgas- und Erdölförderung in den Blick genommen hatte. Aber: Es gebe »statistische auffällige Zusammenhänge der Wohnortnähe speziell zu Erdgasförderanlagen«, und: Seien bei der Krebshäufung in Bothel Männer statistisch signifikant, so seien es in anderen Erdgasregionen erkrankte Frauen.

Diese Auffälligkeit und die immer noch nicht belegbar nachgewiesene Ursache des Blutkrebses in Bothel werfen weitere Fragen auf. Sie sollen nicht im Raum stehen bleiben, betont Sozialministerin Carola Reimann (SPD). »Viele Menschen, die in der Nähe von Förderanlagen wohnen, sind besorgt und das kann ich gut verstehen«, sagte sie beim Vorstellen der Expertise und kündigte eine Folgestudie an. »Wir wollen ausschließen, dass es auslösende Faktoren gibt, die bislang noch nicht beseitigt wurden«, so Reimann.

Durch eine gerichtliche Entscheidung »beseitigen« lassen wollen Menschen in Bothel die Pläne von Exxon, dort eine Anlage zur Nachbehandlung von »Reststoffen« des Erdgasförderns zu bauen. Die vom Landesbergamt zum Unmut vieler Bürgerinnen und Bürger bereits genehmigte Einrichtung soll derartige Abfälle aus ganz Norddeutschland aufnehmen und verarbeiten, heißt es. Gegen dieses Vorhaben werden voraussichtlich mehrere Anwohner, die Samtgemeinde Bothel und auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Klage erheben.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.