Alle freuen sich über Monsieur Willy

Projekt in der DR Kongo soll 76 000 Menschen bis 2022 sauberes Trinkwasser verschaffen

  • Katja Neuendorf, SODI
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Vermessung der Region erfolgt vor der Verlegung der Wasserleitung.
Die Vermessung der Region erfolgt vor der Verlegung der Wasserleitung.

»Diese PVC-Rohre sind veraltet und hatten ebenfalls die falsche Dimensionierung sowie Gefällelage«, erklärt der 26-jährige Ingenieur Monsieur Willy, als er seinen Kolleg*innen ein Foto aus der Gemeinde Bwina zeigt. Die rudimentäre frühere Wasserversorgung funktioniert dort bereits seit Jahren nicht mehr. Doch für das neuste Projekt von SODIs kongolesischer Partnerorganisation UGEAFI, welches im Oktober dieses Jahres startete, ist eine nachhaltige Wasserversorgung das höchste Ziel, auch für die Gemeinde Bwina. Hierzu bedarf es grundlegender Studien über das Gelände der Projektregion in der DR Kongo. Unter den elf Mitarbeiter*innen ist auch Monsieur Willy, welcher maßgeblich an der Planung beteiligt ist. Warum haben in einem der wasserreichsten Länder der Welt nur 50 Prozent der Bevölkerung Zugang zu sauberem Trinkwasser? Wie können wir das ändern?

UGEAFI ist bereits seit 20 Jahren in der krisengebeutelten Region Süd-Kivu im Osten der DR Kongo aktiv. Aufeinanderfolgende Kriege 1996, 1998 und 2002 sowie wiederkehrende Gewaltausbrüche zwischen verschiedenen Gruppen, wie die Streitkräfte FARDC oder Milizen wie die Mai-Mai, M23 oder die ruandische FDLR, verschlechterten die Lebenssituation im Land. Vor allem in Süd-Kivu sind die Folgen zu spüren. Als Auswirkung der bewaffneten Konflikte ist die Infrastruktur größtenteils zerstört. Die Mehrheit der Bevölkerung hat keinen Zugang zu Strom und sauberem Wasser und lebt in extremer Armut. Der Staat ist zudem größtenteils nicht in der Lage, die Sicherheit seiner Bürger*innen zu gewährleisten. Ohne Garantie für ein sicheres Leben sind Menschen oft gezwungen zu fliehen. Extreme Armut hindert die Entwicklung. Studien zufolge muss eine Familie beziehungsweise ein Haushalt mit 0,44 US Dollar pro Tag auskommen und lebt somit unter der Armutsgrenze, die von der Weltbank auf inzwischen 1,90 US-Dollar pro Kopf und Tag statistisch festgesetzt wurde.

Monsieur Willy und seine Kolleg*innen wollen mit Projekten zu Bildung, Ernährungssicherheit und der Förderung des Friedens zur Verbesserung der Situation beitragen. »Seit Oktober dieses Jahres wollen wir mit unserem neuen Projekt die Region Idjwi und seine Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser versorgen. In Idjwi und auf dem Hochplateau von Lemara wollen wir zusätzlich mit Saatgut die Ernährung und das Einkommen kleinbäuerlicher Familien durch Diversifizierung der Anbaumethoden und -produkte verbessern«, erklärt Naum Butoto, Direktor von UGEAFI, der ebenfalls an der Teamsitzung teilnimmt. »Wir haben in anderen Regionen schon Projekte zu Trinkwasser erfolgreich umgesetzt«, ergänzt Willy. »Für mich ist dieses Trinkwasserprojekt eine Herzensangelegenheit, denn aus unserer Erfahrung heraus dämmen wir damit wasserbedingte Krankheiten wie Cholera, Durchfall, Typhus oder Magen-Darm-Entzündungen der Bevölkerung ein.« Insgesamt 76 000 Menschen soll mit dem dreieinhalbjährigen Projekt bis 2022 ein sicherer Zugang zu sauberem Trinkwasser ermöglicht werden. Sie alle leben auf der Insel Idjwi im Kivu-See, der gleichzeitig Hauptwasserquelle ist. Hier basieren bis zu 60 Prozent der Krankheiten auf dem Kontakt mit verschmutztem Seewasser.

»Wir arbeiten mit den Menschen und nicht nur für sie«, sagt Monsieur Willy. Der Projektmitarbeiter und Ingenieur ist besonders stolz darauf, dass die lokale Bevölkerung von Anfang an eingebunden wird. »Sie helfen nicht nur bei dem Antransport der Baumaterialien, sie sollen später auch selbst in Wasserkomitees aktiv am Erhalt der Leitungen beteiligt sein.« Jene Komitees, bestehend aus fünf Personen, werden durch den zuständigen Ingenieur ernannt und erhalten Weiterbildungen in der Wartung von Wasserverteilungssystemen, hygienischen Maßnahmen, Krankheitsvorbeugung und Verwaltung. »In Trockenzeiten sollen diese Komitees auch die gerechte Verteilung und Regulierung der begrenzten Wasservorräte beaufsichtigen. Mit Einverständnis der Bevölkerung erheben und verwalten sie ebenfalls die Gebühren für die Wasserstellen, die auf Gemeindeland gebaut sind«, erklärt der Ingenieur. Auf diese Weise ist die nachhaltige Wasserversorgung und ihre Absicherung auch nach Projektende gewährleistet.

Insgesamt vier Wassertanks, sieben Wasserdämme und 21 Entnahmestellen sollen gemeinsam mit den jeweiligen Bewohner*innen in 42 Dörfern installiert werden. »Sand, Schutt und Lehm beschaffen wir lokal, während Materialien wie Rohre, Wasserhähne und Zement in den Städten Bukavu oder Goma besorgt werden«, erklärt Willy. Um eine nachhaltige Wasserversorgung zu sicherzustellen, wurde zuvor in einer Befragung der lokalen Bevölkerung und einer Studie geprüft, dass Wasserquellen wie Flüsse nicht vom Austrocknen gefährdet sind und einen angemessenen Abstand zu Siedlungen haben, um Verschmutzung oder Erosionsabfluss zu vermeiden. »Wir stauen das Wasser zuerst aus natürlichen Quellen mit Dämmen. Die Staugräben enthalten eine Kiesschicht, die das Wasser filtert. Am Ende des leicht abfallenden Grabens wird eine Absperrwand aus Beton errichtet, in der ein Rohr das Wasser zu den Tanks leitet. Von diesen Tanks führen weitere Rohrsysteme zu den einzelnen Wasserentnahmestellen. Je nach Anzahl der Einwohner*innen und der abgehenden Entnahmestellen fassen die Tanks ein Volumen von 18 bis 30 Kubikmeter«, erklärt Monsieur Willy die geplante Konstruktion. Je nach regionalem Bedarf wird ebenfalls der Durchlauf des Wassers in den Anlagen berechnet. »Der Quellwasserfluss über 24 Stunden muss größer sein als der tägliche Bedarf der Gemeinden.«

Das ganze System beruht auf einem Gefälle, wobei Anfangs- und Endpunkt mindestens eine Neigung von einem Prozent haben müssen. Hierzu wurden detaillierte topografische Studien durchgeführt. Zusätzlich sichern mehrere Wasserproben vor der Inbetriebnahme die Trinkwasserqualität des Wassers. »Die Qualität des Trinkwassers ist Voraussetzung für die Verbesserung der Gesundheit der Menschen und der Nutztiere vor Ort«, so Willy. »Momentan planen wir zwei Zeitfenster. Wenn die Menschen aus den Gemeinden zwischen sechs und zehn Uhr sowie von 14 bis 19 Uhr ihr Wasser aus den Entnahmestellen holen, können die Tanks nachts wieder aufgefüllt werden.« Der Vorteil dieses Systems: Das Wasser im Tank bleibt so immer angenehm kühl.

Aber nicht nur die Gesundheit verbessert sich durch das Trinkwassersystem. Traditionell sind Frauen und Mädchen für Haus, Hof und die Beschaffung von Wasser zuständig. So gehen Kinder und Jugendliche oft nicht zur Schule, da die Suche nach Wasser zu viel Zeit des Tages beansprucht. Zusätzlich macht die allgemeine unsichere Lage und Anwesenheit von militanten Gruppen die Wege zur Gefahr. Ist es zu beschwerlich, wählen viele den gleichen Weg und nehmen das schmutzige Wasser des Kivu-Sees oder aus stehenden Tümpeln. Insbesondere im Kivu-See kommt es immer wieder zu Unfällen, wenn Menschen versuchen, das Wasser aus dem See zu schöpfen. »Dieser Zustand soll bald Vergangenheit sein. Mit Fortbildungen zu Hygiene und dem neuen Wassersystem verbessern wir die Lebenssituation der Menschen«, sagt Monsieur Willy. Und die Mittel aus der diesjährigen nd-Solidaritätsaktion sind dafür hoch willkommen.

Der Herr der Leitungen: Ingenieur Monsieur Willy und seine Kolleg*innen sorgen für sauberes Wasser.
Der Herr der Leitungen: Ingenieur Monsieur Willy und seine Kolleg*innen sorgen für sauberes Wasser.
Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.