Kurs des »gerechten Wachstums«

Griechische Regierung versucht im Haushalt 2019 eine Abkehr vom Austeritätskurs

  • Elisabeth Heinze, Thessaloniki
  • Lesedauer: 3 Min.

Zum ersten Mal seit fast zehn Jahren hat Griechenland über einen Staatshaushalt entschieden, ohne dem Europäischen Rettungsschirm zu unterstehen. Am späten Dienstagabend stimmten 154 der 300 Abgeordneten im Athener Parlament für das SYRIZA-ANEL-Zahlenwerk für 2019.

Griechenland hatte am 20. August das dritte Kreditprogramm der internationalen Gläubiger beendet, untersteht aber noch bis 2022 ihrer Aufsicht. Immer wieder wurden Renten und Löhne gekürzt, Steuern in die Höhe getrieben.

Seine Regierung habe Griechenland »aus der Schlinge der Memoranden« befreit, jubilierte Ministerpräsident Alexis Tsipras kürzlich. Geht es also bergauf? Wider Erwarten lag der Primärüberschuss im Haushalt 2018 bis November bei 7,6 Milliarden Euro und damit 3,54 Millionen über den Vorgaben. Fast 33 Millionen Touristen in diesem Jahr dürften daran ihre Aktie haben. Leitet Regierungschef Tsipras nun spät eine soziale Kehrtwende ein?

Im Haushalt 2019 wird ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent sowie ein Primärüberschuss von 3,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwartet. Nun sollen die Investitionen um 11,9 Prozent steigen und die Arbeitslosigkeit von 20 auf 16,7 Prozent sinken. Solche Zahlen hält nicht nur die SYRIZA-Abspaltung Laiki Enotita, die den Sparkurs nie mittragen wollte, für unrealistisch.

Mit dem von Tsipras angekündigten Kurs des »gerechten Wachstums« sollen bestimmte Sozialleistungen wie das Wohngeld erhöht sowie Steuern, Sozialbeiträge und Treibstoffzuschläge für einige Inseln gesenkt werden. Dafür will die Regierung 900 Millionen Euro in die Hand nehmen. Besonders für junge Akademiker, die während der Krise zu Hunderttausenden auswanderten, sollen über 10 000 befristete Stellen im öffentlichen Dienst geschaffen werden. Zudem sollen 15 000 Lehrkräfte an Schulen verbeamtet werden. Auch der Mindestlohn soll steigen - wie stark, ist noch nicht klar. Derzeit liegt er bei 586 Euro brutto.

Noch vor Weihnachten erhalten bedürftige und kinderreiche Familien eine einmalige Zulage von bis zu 1350 Euro aus einer Sozialdividende im Umfang von 710 Millionen Euro - das betrifft dreieinhalb Millionen Griechen. Einmalig profitieren auch Viehzüchter und Hirten, an sie gehen etwa 42 Millionen Euro. Für Bauern, Anwälte und 250 000 Selbstständige sollen die Versicherungsbeiträge ab 2019 wieder sinken. Gespart wird noch, aber es soll weniger schmerzen - so scheint die Devise zu lauten.

Bereits Ende Oktober wurde bekannt, dass eine weitere Rentenkürzung, eigentlich Auflage des Kreditprogramms, den Senioren erspart bleibt. Arbeitsministerin Efi Achtsioglou stellte nun auch eine Erhöhung von 620 000 Renten in Aussicht. Allerdings muss die Finanzierung noch geklärt werden. Außerdem ist geplant, eine Austeritätsmaßnahme aus dem Jahr 2012 rückgängig zu machen sowie damalige Abstriche bei bestimmten Renten sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld rückwirkend auszuzahlen.

Dagegen hatten ehemalige Militärangehörige und andere hohe Beamte vor dem Verfassungsgericht geklagt und gewonnen. Geprüft werden muss jetzt, ob nur sie von den Auszahlungen profitieren sollen. Etwas entschärft werden soll im nächsten Jahr auch die unbeliebte Immobiliensteuer, die viele Mittelschichtgriechen hart traf.

Vor der Abstimmung zum Haushalt 2019 sprach die griechische Presse von einem Vertrauensvotum für Tsipras. Das gewann er, wenngleich nur knapp. Gegen die Kürzungspolitik demonstrierten auch nur ein paar Tausend Mitglieder der Gewerkschaft des Öffentlichen Diensts und der kommunistischen Gewerkschaft PAME auf dem Syntagma-Platz.

Trotz nicht ganz schlechter wirtschaftlicher Aussichten gelingt es SYRIZA bisher nicht wirklich, ihre sozialpolitische Agenda an den Mann zu bringen. In allen Umfragen liegt die konservative Nea Dimokratia mindestens zehn Prozent vor SYRIZA. Für Tsipras führen derzeit sowieso alle Wege nach Mazedonien. Dass er mutig den Namensstreit mit dem nördlichen Nachbarland beilegte, bringt nicht nur seiner Partei schlechte Umfragewerte, sondern treibt auch weit mehr Menschen auf die Straße als der Unmut über die nichtendenwollende Austeritätspolitik. An dieser Frage droht zudem die Regierung mit der rechtspopulistischen ANEL zu zerbrechen. Medien rechnen mit vorgezogenen Parlamentswahlen - regulär finden diese im Herbst 2019 statt.

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