- Politik
- Fehmarnbelt
Pfeiler auf dem Weg zur Beltquerung
Schleswig-Holstein schloss Planfeststellung für umstrittenes Tunnelprojekt in der Ostsee ab
Die schleswig-holsteinische Verkehrsplanbehörde in Kiel hat für die umstrittene feste Fehmarnbeltquerung kurz vor Jahresende den Planfeststellungsbeschluss fertiggestellt und dem Tunnelprojekt somit quasi von deutscher Seite aus offiziell die Baureife attestiert. Wie fundiert die in 57 Aktenordnern zusammengetragenen Unterlagen sind, darüber wird vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eine Entscheidung fallen, denn Umweltverbände und Bürgerinitiativen haben Klage gegen den samt Anlagen 42 000 Seiten umfassenden Schriftsatz angekündigt.
Der Planfeststellungsbeschluss für das deutsch-dänische Bauvorhaben des 18 Kilometer langen Absenktunnels zwischen Fehmarn und Lolland bedeutet den Start einer neuen Phase für das Projekt. Schleswig-Holsteins Verkehrsstaatssekretär Thilo Rohlfs (FDP) bezeichnete die erteilte Baugenehmigung nach über fünfjähriger Vorbereitung als einen Meilenstein. Bis zur Endfassung des Dokuments vergehen nun noch einmal zwei Wochen. Beiden Bauträgern, die Femern A/S sowie der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein, werde laut Rohlfs noch einmal die letzte Gelegenheit einer »redaktionellen Qualitätskontrolle« eingeräumt. Mitte März soll der Beschluss dann zwei Wochen lang an 13 Stellen öffentlich zur Durchsicht ausgelegt werden. Auch im Internet ist in dem Zeitraum alles nachlesbar. Anschließend haben potenzielle Kläger einen Monat Zeit, Klage beim Bundesverwaltungsgericht einzureichen. Dann bleiben noch einmal zehn Wochen für die Klagebegründung.
Jeden Tag lesen rund 25.000 Menschen unsere Artikel im Internet, schon 2600 Digitalabonennt*innen und über 500 Online-Leser unterstützen uns regelmäßig finanziell. Das ist gut, aber da geht noch mehr! Damit wir weiterhin die Themen recherchieren können, die andere ignorieren und euch interessieren. Hier mitmachen!
Das Bündnis Beltretter, ein Verbund mehrerer Initiativen, die gegen den Ostseetunnel sind, vermutet Kalkül in der Terminierung, den Planfeststellungsbeschluss zwischen Weihnachten und Neujahr zu verkünden. Damit werde dem heiklen Thema die öffentliche Aufmerksamkeit genommen, meinen die Kritiker. Bereits bei den fernab von der Insel Fehmarn in Kiel und Lübeck angesetzten Erörterungsterminen und Anhörungen war der Widerstand gegen das zuletzt mit 7,4 Milliarden Euro taxierte Großprojekt auszumachen. Insgesamt kamen auf deutscher Seite 12 600 Einwendungen zusammen. Auf dänischer Seite waren es gerade einmal 42. Beim skandinavischen Nachbarn gibt es mit zudem weniger restriktivem Planungsrecht auch bereits seit 2015 grünes Licht für den Tunnelbau.
Der NABU spricht sich von Anfang an gegen eine feste Fehmarnbeltquerung auf Schiene oder Straße aus. Die Naturschutzorganisation sieht im regelmäßigen Fährbetrieb zwischen Puttgarden und Roedby eine intakte und funktionierende Verbindung. Der NABU ruft dazu auf, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit persönlichen Schreiben vom finanziellen, verkehrspolitischen und ökologischen Unsinn des Tunnels zu überzeugen. Fast 12 600 entsprechende Protestnachrichten sind bereits übermittelt worden.
Umweltschützer nennen die von Wirtschaftsverbänden angeführten Daten zum erwarteten Verkehrsaufkommen für den Tunnel unrealistisch. Hinzu kommt eine unübersichtliche Kostensituation. Erst kürzlich feierten Fährbetreiber vor dem Luxemburger EU-Gericht einen Erfolg; sie hatten gegen unzulässige Wettbewerbsnachteile durch Förderbeihilfen für den Tunnelbau geklagt. Damit wachsen die Finanzierungszweifel noch. Die Modelle für den Tunnelbau haben eine Fortsetzung des Fährverkehrs gar nicht einbezogen, der womöglich zur Konkurrenz für den Tunnel würde.
Den Tunnelbau will Dänemark komplett bezahlen. Durch Mautgebühren in Höhe heute gängiger Fährtarife wird über Jahre eine Refinanzierung angestrebt. Für einen Ausbau der Schienen- und Straßenhinterlandanbindung in Deutschland werden momentan etwa drei Milliarden Euro kalkuliert. Doch auch darüber gibt es Streit - vor allem über die Bahntrassenführung. Seit 2011 wird er im sogenannten Dialogforum Feste Fehmarnbeltquerung ausgetragen. NABU und BUND beteiligen sich nicht an diesem Forum.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.