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»Mondgöttin 4« forscht am Südpol
China arbeitet sein Raumflugprogramm ebenso systematisch wie erfolgreich ab
»Der Osten ist rot« - mit diesem Lied, 1970 von Bord des ersten chinesischen Erdsatelliten gesendet, hat alles begonnen. Wirkliche Fortschritte machten die Forscher und Techniker nach dem Ende der Kulturrevolution sechs Jahre später mit dem Start von »Shenzhou 1«. Daraus entwickelte man - angelehnt an sowjetische Sojus-Kapseln - verlässliche Transportraumschiffe. Das erste bemannte startete am 15. Oktober 2003. Seither übten eine Reihe von Taikonauten im All, führten Koppelmanöver aus oder stiegen in den Weltraum aus. Im Juli oder August des kommenden Jahres soll eine erste Marsmission starten. Kein Wunder also, dass Professor Wu Yanhua, der stellvertretender Chef der Nationalen Raumfahrtbehörde, unlängst verkündete: »Unser Ziel ist es, dass China bis etwa 2030 unter den führenden Weltraummächten sein wird.«
Die Voraussetzungen dafür sind gut, Chinas Weltraumprogramm wächst so imposant wie die gesamte Wirtschaft. Gerade die Mondmissionen - China ist mit »Chang’e 3« die dritte Nation, der eine sanfte Landung auf dem Erdtrabanten gelang - fanden Anerkennung. »Chang’e 3« landete in einer Region, die zuvor nie näher untersucht worden war. Radarmessungen und geochemische Analysen zeigten eine überaus komplexe Geschichte vulkanischer Eruptionen, die möglicherweise erst vor zwei Milliarden Jahren stattgefunden haben.
Mit der Sonde »Chang’e 4«, die nun in der Nähe des Mondsüdpols niederging, hat man ein neues Achtungszeichen gesetzt. China ist damit die erste Nation, die auf der von der Erde abgewandten Seite des Mondes forschen kann. Dabei ist es schwierig, von der Mondrückseite eine reibungslose Kommunikation zur Erde aufzubauen. Deshalb war bereits im Mai der Relaissatellit »Queqiao« in Position gebracht worden.
Die Raumfahrzeuge des chinesischen Mondprogramms sind nach der Mondgöttin Chang’e aus der chinesischen Mythologie benannt. Nummer vier muss unter besonders harten Bedingungen arbeiten. Während der Mondnacht, die 14 Tagen auf der Erde entspricht, fallen die Temperaturen auf bis zu minus 173 Grad Celsius. Dafür wird es an den ebenso langen Mondtagen, an denen Energie getankt werden muss, bis zu 127 Grad heiß.
An Bord von »Chang’e 4« befindet sich ein Roboterfahrzeug, das die Region um die Landestelle erkunden soll. Zur Ladung gehört auch Saatgut. Damit will man testen, ob Gemüseanbau in einer geschlossenen Umgebung bei niedriger Schwerkraft möglich ist. Genutzt wird auch ein Instrument, das Wissenschaftler der Kieler Christian-Albrechts-Universität entwickelten. Es misst neben der Strahlung den Wassergehalt des Bodens. Diese Erkenntnisse sowie die einer noch für dieses Jahr geplanten »Chang’e 5«-Mission, mit der man Mondgestein zur Erde holen will, dienen der Vorbereitung auf eine bemannte Mondlandung.
2030 sollen chinesische Raumflieger dieses Abenteuer, das bislang US-Amerikanern vorbehalten war, wagen. Man habe bereits, so meldete die Zeitung »China Daily« vor einigen Wochen, mit dem Bau einer entsprechenden Trägerrakete begonnen. Sie sei 90 Meter hoch und habe ein Startgewicht von mehr als 2000 Tonnen. Ihre Triebwerke reichten aus, um 70 Tonnen Nutzlast in eine erdnahe Umlaufbahn und 25 Tonnen bis zum Mond zu bringen.
Auch jenseits solch spektakulärer Programme entwickelt sich die chinesische Raumfahrt stabil und hat - neben Fortschritten im militärischen Raketen- und Satellitenprogramm - kommerziellen Nutzen. Vor wenigen Tagen starteten im Nordwesten des Landes sechs Umweltsatelliten und ein Kommunikationstestsatellit. Kurz zuvor hatte eine Rakete mit einem neuen Breitband-Kommunikationssatelliten abgehoben. Bis 2025 will China 156 Satelliten dieses Systems ins All schießen, um Gebirgs- und Wüstenregionen abzudecken sowie Flugzeuge und Schiffe mit modernsten Dienstleistungen zu versorgen. Unlängst hat man den 33. und den 34. Satelliten eines eigenen Navigationssystems, mit dessen Aufbau im Jahr 2000 begonnen worden war, im Orbit platziert. China bietet die Transportdienstleister auch anderen Staaten an. So wurden unlängst zwei saudi-arabische Satelliten gestartet. Die jeweils 425 Kilogramm schweren Flugkörper sollen aus einem niedrigen Orbit Fotos von der Erdoberfläche liefern.
Kaum beachtet in der Welt wurde der bereits vor einigen Monaten erfolgte Start einer kleinen Kapsel, die DNA einer seltenen Tigerart enthält. Auf diese Weise will man den Bestand dieser vom Aussterben bedrohten Tierart sichern. Ob es bereits entsprechende Projekte zur Lagerung menschlicher DNA im Weltraum gibt, ist derzeit nicht bekannt.
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