Drohende Kündigungswelle bei Ikea
Einrichtungskonzern will der Herausforderung durch den Onlinehandel mit einer »Geschäftstransformation« begegnen
Seit Ende November durchsickerte, dass Ikea weltweit 7500 Stellen streichen wolle, ist die Verunsicherung unter den 160.000 Beschäftigen groß. Der Einrichtungskonzern befindet sich seit Jahren auf Expansionskurs und konnte sowohl Umsatz als auch Gewinn regelmäßig steigern. Daher herrscht Unverständnis, warum beinahe fünf Prozent der Stellen gestrichen werden sollen.
Bei eilig einberufenen Informationsveranstaltungen bemühte sich das Management, den Beschäftigten die sogenannte »Geschäftstransformation« näherzubringen. Dabei war der Stellenabbau aber nur ein Randthema. Und es wurde vor allem über die Herausforderungen gesprochen, vor denen das Unternehmen besonders angesichts des immer wichtiger werdenden Onlinehandels stehe. Diese Herausforderungen machten eben Umstrukturierungen notwendig. Vom Stellenabbau, so wurde beteuert, wäre aber nur die Verwaltung betroffen, beispielsweise in den globalen und nationalen Konzernzentralen wie im schwedischen Hubhult, in Wallau in Deutschland oder im österreichischen Vösendorf. Zudem wurde beteuert, dass im selben Zeitraum 11 500 neue Stellen geschaffen werden. Ikea werde also in Zukunft nicht weniger, sondern mehr Menschen beschäftigen.
Auch diese Rechnung konnte die Gemüter nicht so recht beruhigen, denn durch die stete Expansion, die nach der Weltwirtschaftskrise von 2008 noch mal mehr Fahrt aufgenommen hatte, werden vor allem in Asien laufend neue Einrichtungshäuser und Einkaufszentren eröffnet. Aktuell betreibt Ikea 355 Filialen in insgesamt 29 Ländern. Dazu kommen noch 43 Einkaufszentren und eine wachsende Zahl von reinen Logistikstandorten und Abholstationen für online bestellte Waren. Seit 2008 konnte der Umsatz kontinuierlich von 21,5 Milliarden auf 36,3 Milliarden Euro gesteigert werden. Laut Konzernangaben wurde 2016 ein Gewinn von 4,2 Milliarden und 2017 von 2,5 Milliarden Euro ausgewiesen, wobei der tatsächliche Gewinn angesichts der unübersichtlichen Konzernstruktur schwer zu eruieren ist. Zum Vergleich: Die Steinhoff-Gruppe, die in Deutschland unter anderem die Poco-Läden betreibt und nach Ikea sowie der britischen Home Retail Group der drittgrößte Akteur am europäischen Markt ist, erwirtschaftet mit 112.000 Mitarbeiter*innen einen Umsatz von gerade einmal 13 Milliarden Euro.
Für die Kollegen und Kolleginnen in den Ikea-Einrichtungshäusern ist es daher nur ein schwacher Trost, wenn an den neuen Standorten in Asien Stellen geschaffen werden, während bei der bestehenden Belegschaft gekürzt wird. Mit der Ankündigung, dass nur die jeweiligen Zentralen betroffen seien, versucht die Unternehmensleitung, sich eine aus vielen Betrieben bekannte Spaltung zwischen den Büroangestellten und den Arbeiter*innen in Lager oder Verkauf zunutze zu machen. Aber schon jetzt ist der Arbeitsdruck in allen Bereichen immens, was zu einer hohen Fluktuation in der Belegschaft führt. Auch wenn viele Tätigkeiten nur eine kurze Einarbeitungszeit erfordern, wirkt sich der dauernde Wechsel nicht nur negativ auf das Betriebsklima aus, sondern erschwert auch die Abläufe im Betrieb. Wohl als Reaktion auf diese hohe Fluktuation wurden in Österreich bereits im Frühjahr 2018 die Einstiegsgehälter um mehr als zehn Prozent angehoben.
Ein Vertreter des Gesamtbetriebsrats von Ikea Deutschland berichtet, dass der Stellenabbau mittlerweile die Einrichtungshäuser erreicht hat. Deutschland ist mit 53 Standorten und 18 000 Beschäftigten sowie einem Umsatz von fünf Milliarden Euro nach wie vor der wichtigste Absatzmarkt. Die Belegschaftsvertretung kritisiert auch das intransparente Vorgehen der Konzernleitung, wodurch die Angst vor dem Jobverlust nur noch zunimmt. Der Betriebsrat drängt daher auf eine, wie er es nennt, »Zukunftssicherung« für alle Kolleg*innen: keine betriebsbedingten Kündigungen, kein Outsourcing, Erhalt der bestehenden Standorte und, wenn nötig, Qualifizierungsmaßnahmen für die Kolleg*innen, die von der Umstrukturierung betroffen sind.
Auch wenn ein Teil der Belegschaft den Ankündigungen der Firmenleitung vertraut, zeigen sich viele skeptisch oder gar wütend. Ihre Ansicht: Hinter der »Geschäftstransformation« verbirgt sich doch nur der Versuch, ein hochprofitables Unternehmen noch profitabler zu machen.
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