- Politik
- Auschwitz-Gedenken
Hochbahn auf Abwegen
Auschwitz-Komitee darf Veranstaltung nicht in Bussen und U-Bahnen ankündigen
Zensur, vorauseilender Gehorsam - oder beides? Eine Entscheidung der Hamburger Hochbahn, eine Veranstaltungswerbung des Auschwitz-Komitees nicht zuzulassen, sorgt in der Hansestadt für Aufsehen. Zum Hintergrund: Das sich als überparteilich verstehende Komitee wollte in U-Bahnen und Bussen der Hochbahn für eine Veranstaltung am 13. Januar werben. Unter der Überschrift »Erinnern heißt handeln: Gemeinsam gegen den Hass« soll an den 27. Januar 1945 erinnert werden, dem Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee.
Die zuständige Marketing-Abteilung der Hochbahn beruft sich auf die politische Neutralität: »Grund unserer Ablehnung ist das gewählte Bildmotiv, das klar eine politische Haltung in den Vordergrund rückt«, heißt es in einem Schreiben. »Als öffentliches Unternehmen müssen wir sicherstellen, nur parteipolitisch neutralen Inhalten oder solchen, die überparteilichem Konsens entsprechen, eine Präsenz auf unseren Flächen zu gewähren.«
Die Hochbahn stößt sich bei ihrer Ablehnung der Veranstaltungswerbung an dem mitgelieferten Foto, das eine Demonstration zeigt mit Spruchbändern wie: »Hamburg zum sicheren Hafen - Schluss mit dem Sterben im Mittelmeer« und »Gemeinsam gegen den Hass«. Weiter argumentiert das Unternehmen: »Die bedingungslose Aufnahme von Flüchtlingen, für die das Banner steht, ist nicht überparteilicher Konsens.« Besonders schlimm: Ein Mitglied auf dem Veranstaltungspodium gehöre angeblich der »Antifa« an.
Aus Sicht von Helga Obens vom Auschwitz-Komitee ist die Entscheidung der Hochbahn unverständlich, zumal das Unternehmen in der Vergangenheit die Veranstaltungsankündigungen der Organisation stets übernommen habe. Auch die Hamburger S-Bahn, ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, habe die Werbung für die Veranstaltung anstandslos akzeptiert. So stamme das von der Hochbahn beanstandete Foto von einer Demonstration am 29. September 2017, drei Tage nachdem die Bürgerschaft mehrheitlich einen Beschluss gefasst hatte, die Hansestadt zum »Sicheren Hafen« zu erklären. Diese Formulierung aus dem Bürgerschaftsbeschluss greife das Demo-Transparent auf. Zudem sei ein aus Magdeburg anreisender Referent keineswegs, wie behauptet, Mitglied der von der Hochbahn so bezeichneten »Antifa«.
In einem Offenen Brief wendet sich die Komitee-Vorsitzende und Überlebende von Auschwitz, Esther Bejarano, an den Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher und die Präsidentin der Bürgerschaft, Carola Veit (beide SPD): »In Hamburg habe ich mich bisher (fast) immer sicher gefühlt. Aber jetzt müssen wir Ihnen in Ihrer Eigenschaft als Erster Bürgermeister und als Präsidentin der Bürgerschaft der FHH Kenntnis geben von einem Vorgang, der uns zutiefst besorgt und den Eindruck erweckt, als würde sich ausgerechnet ein öffentliches Unternehmen, die Hochbahn Hamburg, im vorauseilenden Gehorsam dem möglichen Druck rechter Kreise beugen: Uns, dem Auschwitz-Komitee, wurde die Plakatierung in der Hochbahn und auf den Monitoren der Hochbahn verweigert.«
Sabine Boeddinghaus, Fraktionschefin der Linksfraktion in der Bürgerschaft, kommentiert das Verhalten der Hochbahn: »Das ist ja wohl nicht zu fassen. Drei Tage, bevor das Foto aufgenommen wurde, hat sich die Hamburgische Bürgerschaft auf unseren Antrag hin und über Parteigrenzen hinweg mit großer Mehrheit hinter die Forderungen gestellt, die die Hochbahn jetzt als ›parteipolitisch nicht neutral‹ ablehnt.«
Auch international sorge das Werbeverbot für Aufmerksamkeit, erklärt Helga Obens: »Wir erhalten Solidaritätsbekundungen aus den verschiedensten Ecken: Von Überlebenden aus Ungarn, vom Internationalen Auschwitz-Komitee, dessen Mitglied wir sind, auch vom ehemaligen Hamburger Polizeipräsidenten Wolfgang Kopitzsch (SPD) und vielen anderen mehr.«
Veranstaltung Auschwitz-Komitee »Erinnern heißt handeln - Gemeinsam gegen den Hass«, Sonntag, 13. Januar, ab 13 Uhr im Polittbüro, Steindamm 45 (Hamburg-St. Georg)
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.