- Kommentare
- Handball Weltmeisterschaft
Unter Arglosen
Sieben Tage, Sieben Nächte über Handball
Als der Mensch den aufrechten Gang erlernte und mit Händen ausgestattet wurde, die ihn besonders gut greifen ließen, hätte eigentlich schon klar sein sollen: Fürs Grobe, fürs Stampfen und Treten und alles, was den Weg versperrt, würden künftig die Füße zuständig sein. Für alles Meisterhafte, fürs Basteln und Sezieren, für das Zielen und Treffen würden es die Hände sein. Dass dennoch der Fußballsport erfunden wurde - nun, es gibt ja auch Dreisprung, Skeleton und Polo.
Auch ist den Fußballern nicht vorzuwerfen, dass sie so wenige Tore schießen. Sie strengen sich ja wirklich an, aber es liegt eben nicht in der Natur der Sache, mit den Füßen Präzisionsarbeit zu verrichten, wie einen Ball auf knapp 18 Quadratmetern unterzubringen! Nur die wenigsten bringen es zu so viel Können, dass es auch schön anzusehen ist. Im Regelfall hecheln 22 Menschen hin und her, immer wieder geht der Ball verloren, wird gen Himmel oder sonst wohin gebolzt. Selbst bei WM-Partien lassen sich die vorzeigbaren Spielzüge hinterher meist in zwei Minuten zusammenfassen.
Erstaunlich ist nur, wie viele Menschen jedes Wochenende eineinhalb Stunden selbst bei Minusgraden im Freien warten, ob ein Spiel 0:0 oder 1:1 ausgeht, aus Langeweile dabei trinken, singen und sich raufen und bei Weltmeisterschaften (der Männer) vier Wochen in den Ausnahmezustand verfallen.
Eine kunstvolle, athletische und spannende Sportart wie Handball wird dagegen vergleichsweise wenig zur Kenntnis genommen. Man muss schon dankbar sein, dass die WM der Männer diesmal im Livestream und Spiele mit deutscher Beteiligung im Fernsehen übertragen werden. Jedoch erntet man selbst unter vernünftigen Menschen wie Redakteur*innen einer sozialistischen Tageszeitung mehrheitlich verständnislose Blicke, wenn man mitteilt, wegen eines Handballspiels pünktlich nach Hause fahren zu wollen.
Ja, es gibt Kollegen, die schauen dann, als hätte man verkündet, künftig Kaugummiverpackungen sammeln zu wollen. Das Sportereignis des Jahres geht an den Arglosen vorbei, obwohl das Eröffnungsspiel nicht nur wenige Meter von der früheren innerdeutschen Grenze entfernt stattfand, wie der ZDF-Kommentator anmerkte, sondern auch vom nd-Gebäude. Und obwohl es sich beim Handball eben um die spannendste Nebensache überhaupt handelt, bei der selbst deutlich unterlegene Gegner - etwa aus den Koreas - kunstvolle Würfe und Paraden aufweisen können, die dem Auge schmeicheln.
Dass die Autorin dieser Zeilen das Spiel zu Hause ansah, hat damit zu tun, dass die Tickets 99 Euro kosteten, und dafür bekommt man schließlich ein Zwölftel Goldsteak - oder die Goldlöwen des Pullovers, mit denen DHB-Vize Bob Hanning bei der WM-Pressekonferenz glänzte. Spannende zwei Wochen allen Verständigen wünscht Regina Stötzel
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.