»Alle vier Minuten verliebt sich jemand in die IG Metall«

Gewerkschaft freut sich über Mitgliederzuwachs und sieht Herausforderungen durch Digitalisierung, Mobilitäts- und Energiewende

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass Gewerkschaften auch im 21. Jahrhundert wachsen können, macht die Bilanz der IG Metall für das zurückliegende Jahr deutlich. So hat die größte DGB-Mitgliedsorganisation 2018 insgesamt 133.167 Menschen neu aufgenommen. Dies sind rund 25 Prozent mehr als im Vorjahr.

»2018 war für uns ein erfolgreiches Jahr«, erklärte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann am Montag bei der Jahrespressekonferenz seiner Organisation in Frankfurt am Main. »Alle vier Minuten verliebt sich ein Beschäftigter in die IG Metall.« Bei Berücksichtigung aller Abgänge bleibe unterm Strich ein Plus von über 8000 Männern und Frauen auf derzeit rund 2.270.595 Mitglieder.

Von ihnen sind nach Angaben von IG-Metall-Vizechefin Christine Benner 1,59 Millionen in Betrieben des Organisationsbereichs beschäftigt. Hinzu kommen Rentner, Arbeitslose und rund 130.000 Mitglieder, die als Auszubildende, Studierende und dual Studierende geführt werden. Der Anteil der weiblichen Mitglieder ist auf rund 410.000 angewachsen.

Benner hob hervor, dass in der klassischen Facharbeitergewerkschaft die Zahl der organisierten Ingenieure mit einem Plus von über 13 Prozent besonders stark angewachsen sei. Vor allem in Forschungszentren großer Fahrzeughersteller wie BMW, Audi, Deutz und Ford erfreute sich die Gewerkschaft eines starken Zulaufs. Abseits traditioneller industrieller Hochburgen werde sich die Gewerkschaft weiterhin um eine schlagkräftige Mitgliederbasis in bisher unorganisierten Betrieben ohne Betriebsrat und Tarifbindung kümmern. »Wir werden in den kommenden drei Jahren 60 Millionen Euro in Erschließungsprojekte investieren und haben in diesem Bereich 2018 über 20.000 neue Mitglieder gewonnen«, so Benner.

Trotz Brexit und der Gefahr eines Handelskriegs mit China sei er optimistisch. Für 2019 gebe es »keine Rezessionsgefahr«, sagte Hofmann. Jedoch drohe in den kommenden Jahren durch das Vordringen der Elek-tromobilität bundesweit ein Wegfall von rund 150.000 Arbeitsplätzen bei der Produktion von Verbrennungsmotoren. Dem stehe ein Plus von nur etwa 40 000 Jobs in der Produktion von Elektromotoren gegenüber. Daher sei es nötig, in die Entwicklung von Batterien, eine flächendeckende Ladeinfrastruktur und neue Mobilitätskonzepte im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu investieren.

Eine wirkliche Mobilitäts- und Energiewende müsse »Klimaziele, bezahlbare Mobilität und Perspektiven für die Beschäftigen zusammen denken und mit konkreten Maßnahmen hinterlegen«, so Hofmann. »Wer mit der Verteuerung der Mobilität Menschen ohne deutliche ÖPNV-Verbesserung unter Druck setzt, die als Pendler auf ihr Fahrzeug angewiesen sind, der sollte wissen: Auch in jedem deutschen Auto gibt es eine gelbe Warnweste.« Mit einer Verteuerung der Mobilität werde »mit dem gesellschaftlichen Frieden gezündelt und dem Klimaschutz ein Bärendienst erwiesen«, so der Gewerkschafter.

Um sich den Herausforderungen von Digitalisierung, Industrie 4.0, Big Data und Künstlicher Intelligenz zu stellen, die nach Schätzungen bis 2035 die Arbeitsplätze von rund 1,5 Millionen Beschäftigten gefährden könnten, will die IG Metall in den kommenden Monaten mit betrieblichen Akteuren einen Transformationsatlas erarbeiten. Damit sollen »Hotspots der Veränderung sichtbar gemacht werden« und konkreter Handlungsbedarf aufgezeigt werden. Um zu verhindern, »dass unsere Gesellschaft in Digitalisierungsgewinner und -verlierer gespalten wird«, müssten »die Profite der Digitalisierung in gute Arbeit fließen« und allen Betroffenen ein Recht auf Weiterbildung und eine faire Verteilung des Arbeitsvolumens zugestanden werden, forderte Hofmann. »Transformation braucht Qualifikation, nicht Sanktion.« Er sprach sich für eine Verlängerung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I aus.

Eine Triebfeder für den Mitgliederzuwachs war die von Warnstreiks begleitete Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie, bei der die IG Metall erstmals seit Jahrzehnten wieder Formen der Arbeitszeitverkürzung in den Mittelpunkt rückte. »Wir haben den Nerv der Beschäftigten exakt getroffen«, freute sich Hofmann. 260.000 Beschäftigte hätten ihren tarifvertraglichen Anspruch auf zusätzliche freie Zeit statt mehr Geld bereits angemeldet, um Kinder zu erziehen oder Angehörige zu pflegen. »Nur selten stellen sich die Arbeitgeber quer«, so der Gewerkschaftschef.

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