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Viel Pathos gegen Populismus
Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron unterzeichneten Aachener Vertrag
Viel Pathos schwebte am Dienstag durch den Krönungssaal des Aachener Rathauses. Man erinnerte an Karl den Großen, spielte Mozart, hielt weihevolle Reden, gab historische Versprechen ab.
Nachdem die Außenminister Frankreichs und Deutschlands sowie Angela Merkel und Emmanuel Macron die Urkunden zum Aachener Vertrag unterzeichnet hatten, erklangen die Nationalhymnen beider Länder. Sie zu singen, wäre ein Affront gewesen, wurde doch die Marseillaise einst als »Kriegslied für die Rheinarmee« geschrieben: »Zu den Waffen, Bürger! ... Marschieren wir, bis unreines Blut unserer Ackerfurchen tränkt!« Und auch der Text der deutschen Hymne ist der bilateralen Freundschaft weit hinterher, beansprucht er doch »Einigkeit und Recht und Freiheit« nur »für das deutsche Vaterland«.
Die einstige nationalistische Enge, die mehrfach zu grausamen Kriegen geführt hat hat, zu überwinden soll das Vertragswerk helfen. Merkel wie Macron warben für die Vertiefung der bilateralen Freundschaft und bezeichneten sie als unerlässlich für Europa.
Die Kanzlerin betonte nicht von ungefähr, der Vertrag sei eine gemeinsame Antwort beider Länder auf erstarkenden Populismus und Nationalismus. In diesen »besonderen Zeiten« brauche es entschlossene, eindeutige, klare und zukunftsgerichtete Antworten. Macron hob hervor, das gemeinsame Ziel müsse nun sein, »dass Europa der Schutzschild unserer Völker gegen die neuen Stürme in der Welt ist«. Die deutsch-französische Freundschaft, die gemeinsamen Projekte und Ziele machten es möglich, »unser Leben in die eigene Hand zu nehmen, unser Schicksal frei aufzubauen«, fügte er hinzu.
Die Vereinbarung, die Frankreichs Präsident bereits 2017 angeregt hat, sieht unter anderem eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigungs-, Wirtschafts-, Außen- und Europapolitik vor. Geplant ist ein deutsch-französischer Wirtschaftsraum ohne bürokratische Hürden und mit gemeinsamen Regeln für Rüstungsexporte. Man will staatliche Zusammenarbeit erlebbarer für die Bürger nicht nur in den Grenzregionen gestalten. Schulabschlüsse sollen gegenseitig anerkannt werden, man will deutsch-französische Studiengänge schaffen. Grundsätzlich neu ist das nicht. 1963 hatten Kanzler Adenauer und Frankreichs Präsident de Gaulle im Élysée-Vertrag Ähnliches vereinbart.
EU-Ratschef Donald Tusk mahnte in seiner Ansprache, die verstärkte Zusammenarbeit einzelner Länder dürfe nicht die gesamteuropäische Kooperation ersetzen. Er erinnerte daran, dass es auch östlich von Deutschland überzeugte Europäer gebe. »Durch diese Menschen und für sie gibt es Europa«, sagte Tusk. Europa benötige im Moment jede denkbare Unterstützung, da seine Gegner so zahlreich seien.
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