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Klüngelklub in der Alpenidylle
Nach Ansicht von Alexander Ulrich treffen sich in den Bergen von Davos die Verursacher der globalen Krise
Wie jedes Jahr trifft sich derzeit die Crème de la Crème aus Wirtschaft, Finanzwelt und Politik zum Weltwirtschaftsforum in den schweizerischen Bergen. Wo die Öffentlichkeit hinschaut, wird viel über globale Probleme wie Klimawandel, Armut und Hunger gesprochen. Das ist an diesem Ort absurd. Denn der Klüngeklub von Davos taugt nicht zur Lösung globaler Probleme. Er ist Teil des Problems. Schließlich sind die viel thematisierten globalen Probleme die Konsequenz einer Wirtschaftsordnung, an deren Spitze jene stehen, die nun in der Schneeidylle über den Ernst der Lage schwadronieren.
Die Organisation Oxfam berichtet, dass die Vermögenskonzentration an der Spitze der globalen Reichtumspyramide auch 2018 zugenommen hat - mittlerweile besitzen 26 Menschen so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Viele Profiteure dieser Entwicklung geben sich in Davos die Klinke in die Hand. Wenn die Zahl der Hungernden weiter steigt und bald eine Milliarde Menschen erreicht, dann gibt es am anderen Ende der Wohlstandsskala besonders volle Teller. Und wenn der CO2-Ausstoß des Transportsektors seit Jahren nicht sinken mag, liegt das auch an der Freihandelsagenda, an der vor allem Konzerne verdienen, deren Bosse sich beim Weltwirtschaftsforum ebenfalls gerne ein Stelldichein geben.
Eine Lösung dieser Probleme widerspricht zwangsläufig den Interessen der Reichen und Schönen aus dem Davoser Klüngel. Es wäre daher naiv anzunehmen, dass in den Schweizer Alpen ein ernsthafter Beitrag zur Lösung geleistet werden kann. Spätestens wenn die eigenen Interessen bedient werden wollen, zeigt sich, dass die halbherzig gefassten guten Vorsätze nichts als Lippenbekenntnisse sind.
Dabei kann man den Superreichen nur begrenzt einen Vorwurf daraus machen, dass sie ihre Interessen verfolgen. Das Problem sind vielmehr gewählte Politiker, deren Auftrag darin besteht, Mehrheitsinteressen zu vertreten, die diesen Auftrag aber sträflich vernachlässigen und stattdessen ebenfalls in die Schweiz fahren, um munter mitzuklüngeln. Dass sie so naiv sind zu glauben, dort tatsächlich Menschheitsprobleme lösen zu können, ist unwahrscheinlich. Vielmehr muss man den Besuch in Davos als Statement nehmen, für wen diese Politiker tatsächlich Politik machen, für wessen Anliegen sie ein offenes Ohr haben. Umso bedrückender ist, dass sich auf der Teilnehmerliste des diesjährigen Gipfels einmal mehr Namen wie Angela Merkel, Ursula von der Leyen, Peter Altmaier, Manfred Weber, Christine Lagarde und Cecilia Malmström finden.
Spitzenpolitiker, die ernsthaft Probleme lösen und Mehrheitsinteressen vertreten wollen, müssten stattdessen die Interessen und Profiteure hinter den Problemen klar benennen. Sie müssten mutige politische Maßnahmen ergreifen und eben nicht davor zurückzuschrecken, auch mal einem Wirtschaftsboss, einem Finanzjongleur oder einem prominenten Steuerhinterzieher auf den Schlips zu treten. Beispielsweise mit einer internationalen Vermögenssteuer. Oder einer strengen Regulierung und Besteuerung von Finanztransaktionen. Oder auch mit einem entschiedenen internationalen Vorgehen gegen Steueroasen. Oder einer Wirtschaftspolitik, die regionale Kreisläufe fördert und versucht, unnötige Warentransporte zu minimieren. Eine andere Handelspolitik der EU wäre ebenfalls hilfreich. Statt Abkommen wie CETA und Jefta bräuchte es transparente Verträge, die Arbeitnehmerrechte und ökologische Nachhaltigkeit in den Vordergrund rücken.
Solche Maßnahmen würden helfen, die unerträgliche globale Ungleichheit abzubauen. Die Mittel könnten eingesetzt werden, um Elend, Hunger und das völlig unnötige, aber massenhafte Sterben von Kindern an längst heilbaren Krankheiten zu bekämpfen. Sie könnten auch helfen, den Schadstoffausstoß deutlich zu reduzieren und so einen wirklichen Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung zu leisten.
Aber solange sich Staatschefs, EU-Kommissare und Chefs internationaler politischer Institutionen in Davos herumtreiben und brav Pfötchen geben, wenn die Superreichen kommen, müssen sich letztere keine Sorgen machen. Dann reichen die alljährlichen Lippenbekenntnisse aus, um sich zwölf weitere Monate die Taschen vollzustopfen, während sich die globale soziale Katastrophe immer weiter verschärft und die Weltgemeinschaft Richtung Klimakollaps marschiert.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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