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Das große Geld allein reicht nicht
Christoph Ruf über die Schwierigkeiten, trotz guter Kapitallage in der Fußballwelt zu bestehen
Ich muss zugeben, der Blick auf die Bundesliga-Tabelle macht mir zur Zeit Spaß. Zumindest partiell. Hat man doch in den letzten Jahren aus vielen hundert Kehlen das Immergleiche gehört, so oft, dass man es fast schon glauben könnte: Nur Investoren, nur wirtschaftsnahe Vereinsführungen und nur die völlige Entmachtung von Mitgliedern und Fans (okay, Letzteres hat man meist etwas schöner ausgedrückt) führen ja angeblich dazu, dass schnöde Fußballvereine endlich Erfolg haben können. Weil sie eben dann am besten funktionieren, wenn sie wie erfolgreiche Unternehmen aus der Auto- oder Hörgeräte-Branche geführt würden.
Sie merken, worauf ich hinaus will. Denn die verdammte Realität, die macht den Jüngern des freien Marktes gerade nicht nur in der echten Welt ein paar Schwierigkeiten zu viel. In der Fußball-Bundesliga ist es genauso. Vorletzter, mit elf Punkten aus 19 Spielen, ist Hannover 96, das am Wochenende 5:1 in Dortmund verlor. Drittletzter ist der VfB Stuttgart.
Wir reden hier von zwei Vereinen, die in den letzten Jahren einen Großteil ihrer Energie darauf verwandt haben, ihre Rechtsform zu ändern, weil angeblich nur so mehr Kapital zu bekommen sei. Kapital haben sie nun, Hannover liegt von seinem Etat her im unteren Mittelfeld der Tabelle, der VfB, der sich gerade einen 18-Jährigen aus der Türkei für elf Millionen Euro geholt hat, ein paar Etagen drüber. Wenn Geld Tore schießt, wurde das Geld in diesen beiden Vereinen also schlecht angelegt. Könnte daran liegen, dass weder Martin Kind noch VfB-Präsident Wolfgang Dietrich über Fußballsachverstand verfügen. Kind hat dabei allerdings wenigstens die Größe, genau das einzugestehen. So weit sind sie in Stuttgart noch nicht, wo sich der nicht eben komplexbeladene Dietrich ständig zu Spiel und Spielern äußert, aber beleidigt ist, wenn das ein Mitglied des Aufsichtsrates auch tut. Als Guido Buchwald im November mehr sportliche Kompetenz anmahnte, brannte in Stuttgart der Baum. Dabei hatte er schlicht und einfach recht. Was daran liegen könnte, dass er 76 Länderspiele auf dem Buckel hat und von Fußball etwas mehr versteht, als dass dabei elf gegen elf spielen.
Kind, wiewohl in seiner Rhetorik weniger polterig als Dietrich, hat derweil seine ganz spezifischen Probleme bei der Führung des Vereins. Und wenn nicht alles täuscht, wird genau das auch zum Abstieg führen. Hannovers Fans sind leidgeprüft, man kann ihnen nur wünschen, dass die Meldung, wonach bei 96 mit Felix Magath und Stefan Effenberg geliebäugelt wird, eine Internet-Ente ist. Aber kann man sich da sicher sein? Die ein oder andere Berater-Vereins-Konstellation bei 96 lässt das gar nicht mehr so absurd erscheinen. Fakt ist, dass Kind in den letzten Wochen unprofessioneller kommuniziert hat als es jeder Platzwart bei einem Oberligisten getan hätte. Wer vor einem wichtigen Spiel herausposaunt, dass er schon lange einen Nachfolger für den noch amtierenden Trainer sucht, hat ein echtes Stilproblem. Kind mag ein ehrlicher Mensch sein - wofür ihm in dieser Branche eine Medaille gebührt - aber die Emotionalität des Fußballs, die wird ihm immer fremd bleiben. Auch nicht gut, wenn man mit diesen Voraussetzungen dann das letzte Wort bei einem Verein mit einem über 100-Millionen-Euro Etat hat.
Weit weniger als die Hälfte davon hat der 1. FC Nürnberg, der einzige Verein, bei dem ich mich beim Blick auf die Tabelle nicht dabei ertappe, dass die gute alte Schadenfreude ihr Recht einfordert. Der Club ist nach Lage der Dinge einfach zu schlecht für diese Liga. Beziehungsweise zu arm. Denn mit dem Etat, den die Franken vor der Saison zusammengekratzt bekommen haben, lässt sich nun mal kein Kader zusammenstellen, der konkurrenzfähig ist. Nach Lage der Dinge werden sie beim FCN kurz vor Ablauf der Transferperiode am kommenden Donnerstag noch ein oder zwei günstige Zugänge präsentieren und am Ende dennoch absteigen. Man kann Sportdirektor Andreas Bornemann trotzdem nur wünschen, dass er bei seinem Kurs bleibt und nicht in Aktionismus verfällt. Wer mit einem finanziellen Polster aus der ersten Liga absteigt, hat die Chance, mit einem starken Zweitligakader den Wiederaufstieg zu schaffen und dann dauerhaft abzusichern. Wer immer alle Reserven herausballert, muss sich irgendwann den Herren mit den großen Versprechungen ausliefern. In Hannover und Stuttgart merken sie gerade, wozu das führen kann.
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