- Wirtschaft und Umwelt
- Kohleausstieg
Die Bedrohung bleibt
Der Energiekonzern RWE hält an Umsiedlungen von Gemeinden am Rande von Braunkohletagebauen fest
Als Antje Grothus am Montagvormittag die Presse im evangelischen Gemeindehaus in Kerpen-Buir begrüßt, wirkt sie noch ein wenig abgekämpft. Bis tief in die Nacht zum Samstag hat sie noch in der Kohlekommission über den Kohleausstieg verhandelt. Grothus lebt in Buir, einem Dorf am Rand des Tagebaus Hambach. Seit Jahren engagiert sie sich in der Initiative »Buirer für Buir«. Ihr Engagement hat Grothus auch in die Kohlekommission gebracht. Sie und Hannelore Woidtke aus der Lausitz waren als Vertreterinnen der Tagebaurandkommunen in der Kommission. Ihre Berufung sieht sie als »Würdigung jahrelangen Engagements«.
Grothus berichtet von anstrengenden Monaten in der Kommission. Im Gegensatz zu den Vertretern von Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften hat sie alle ihre Reden und Pressemitteilungen selbst geschrieben. Der Hambacher Wald und das Wirtschaftsministerium, Buir und Berlin, das seien »ganz unterschiedliche Welten« gewesen, so Grothus. Negativ an der Arbeit der Kommission sind ihr die ständigen Leaks und Fehlinformationen aufgefallen.
Am frühen Samstagmorgen einigte sich dann die Kommission auf einen 336 Seiten langen Abschlussbericht. Darin schlagen die Kommissionsmitglieder einen Kohleausstieg zum Jahr 2038 vor, der im Rahmen einer Öffnungsklausel auf 2035 vorgezogen werden kann. Außerdem sollen die Kohleregionen bis 2040 Strukturhilfen in Höhe von insgesamt 40 Milliarden Euro bekommen. Bezüglich des Hambacher Forstes einigte man sich auf die Formulierung, dass sein Erhalt »wünschenswert« sei.
Sie habe dem Kompromiss zugestimmt, obwohl er »kein großer Wurf« sei, er löse allerdings eine »Blockadehaltung«, die es gerade in der nordrhein-westfälischen Landesregierung über Jahre gegeben habe, erklärt Grothus. »Die Landesregierung hat dazu gelernt und sich bewegt.« Bisher seien weder das Land noch RWE durch vorausschauendes Handeln aufgefallen. Der voranschreitende Abriss des Dorfes Manheim sei dafür ein bedrückendes Beispiel. Nun dürften »keine weiteren Fakten geschaffen werden«. Von der Landesregierung fordert Grothus eine neue Leitentscheidung in Sachen Braunkohleabbau.
Thomas Krämerkämper vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) nennt die Abschaltungen von Kraftwerkskapazitäten in Nordrhein-Westfalen einen »wichtigen Schritt«. Die Bundesrepublik könne damit ihre eigenen Klimaziele erreichen, von den Pariser Klimaschutzzielen sei man aber noch weit entfernt. Für diese müsse es weitere »Nachbesserungen« geben. Krämerkämper sieht in diesem Bereich die Zivilgesellschaft am Zuge. Die Proteste und die juristische Auseinandersetzung um den Hambacher Wald hätten gezeigt, was möglich ist. Daran müsse man anknüpfen. Der Wald und die Dörfer sollten durch ein Moratorium geschützt werden.
Gerade für die Dörfer am Rand des Tagebaus Garzweiler ist das Ergebnis der Kohlekommission unbefriedigend. Marita Dresen lebt mit ihren Kindern in Kuckum, das derzeit noch umgesiedelt wird. Auf einem großen Grundstück hält die Familie Pferde. Für RWE sei dies nur ein »Hobby«. Dresen berichtet von Dorfbewohnern, die lieber sterben wollen, als umgesiedelt zu werden. »Es gibt Menschen, die sind regelrecht geflüchtet, weil sie das alles nicht mehr aushalten.« RWE setze die Menschen unter Druck. »Je früher man aufgibt, umso besser das Angebot«, erzählt Dresen. Jüngste Äußerungen von RWE-Chef Rolf Martin Schmitz geben auch nicht unbedingt Grund zur Hoffnung. Gegenüber der »Rheinischen Post« sagte der Manager: »Was die Umsiedlungen betrifft, bin ich für die Klarheit im Kommissionsbericht dankbar. Denn es wird ganz eindeutig ersichtlich, dass die bereits in Umsetzung befindlichen Umsiedlungen weiter fortgeführt werden sollen. Ganz unabhängig von der Notwendigkeit der Umsiedlung wäre den Menschen vor Ort auch nichts anderes zuzumuten.«
David Dresen, Sohn von Marita Dresen und Sprecher des bundesweiten Bündnisses »Alle Dörfer bleiben« erzählt, dass ihn die Ergebnisse der Kommission und die Äußerungen von Schmitz »richtig wütend« gemacht hätten. Es gehe nicht um Konzerninteressen, sondern um Menschen. Dass jetzt noch immer Unklarheit über die Zukunft der Dörfer herrsche, sei »nicht tragbar«. RWE arbeite derzeit Tag und Nacht daran, Fakten in den Dörfern zu schaffen, meint der Aktivist. »Damit die Lage nicht eskaliert, muss es jetzt einen Stopp der Umsiedlungen und Abrisse geben«, so Dresen.
Am 23. März plant das Bündnis einen Sternmarsch für den Erhalt der Dörfer am Rand des Tagebaus Garzweiler. Dresen hofft, dass die 100 000 Menschen, die für den Erhalt des Hambacher Waldes demonstriert haben, sich nun auch für die Dörfer engagieren.
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