Entschlossen zu bleiben

Mit dem Ausstiegsplan der Kohlekommission hat sich für die Menschen im Hambacher Wald nichts geändert. Sie wollen bleiben, bis der Wald gerettet ist.

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Eigentlich könnte das ein ganz normaler Wald sein. Es ist ein Gedanke, auf den man am Montag kommen kann, wenn man auf einem der schmaleren Pfade im Hambacher Wald unterwegs ist. Nichts ist zu sehen vom benachbarten Tagebau, auch Baumhäuser sind nicht zu sehen. Stattdessen ist es windig, der Regen wird vom Hagel abgelöst und nach einem Schauer ist der ganze Wald weiß. Auf den großen Wegen und an den Rändern des »Forstes« sieht man, dass der »Hambi« kein ganz normaler Wald ist.

Von Norden nähert sich der Tagebau dem Wald. »Mordor« nennen viele Klimaaktivisten den Tagebau, angelehnt an das Reich des bösen Magiers »Sauron« im »Herr der Ringe«. Eine gewisse Ähnlichkeit zum Land des Bösen aus der Buchverfilmung weißt der Tagebau auf. Am Grund des Loches ist es dunkel, hier wird die Kohle abgebaggert. Menschen erkennt man in dem riesigen Loch nicht, nur Schaufelradbagger. Auf allen breiten Wegen durch den Wald ist eine zentimeterdicke Kiesschicht zu sehen. Sie wurde im Zuge der Räumung im vergangenen Herbst aufgeschüttet und planiert, um Hubsteigern, Kränen und sonstigem schweren Gerät, das bei der Räumung der Baumhäuser eingesetzt wurde, standsichere Plätze zu schaffen.

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An einigen Stellen haben die Schotterstraßen allerdings wieder Löcher bekommen. Der Hambacher Wald ist noch immer besetzt. An der Wegkreuzung »Jesus Point«, die so heißt, weil dort einmal ein Wallfahrtskreuz stand, sind die Löcher besonders tief. Über der Kreuzung hängt eine Plattform in der Luft. Darunter ein Transparent: »Profitlogik verachten – Konzerne entmachten«.

Im Baumhausdorf »Winkel« ein paar Meter vom »Jesus Point« entfernt sitzt eine Handvoll Aktivisten um eine Feuerstelle. Auf einen Grillrost wird Toast gemacht, es gibt Kaffee. »Über mangelnde Unterstützung können wir uns nicht beklagen«, sagt Gonzo. Essen sei genug da. Die meisten Menschen, die im Wald leben, bleiben an kalten regnerischen Tagen in ihren Baumhäusern. Gerade die Nässe sei ätzend, erzählt Gonzo. Bei ihm fließt an zwei Ästen Wasser ins Baumhaus. Er denkt über eine Abdichtung mit Lehm nach.

Den Kompromiss zum Kohleausstieg mit der Formulierung, es sei »wünschenswert«, dass der Wald erhalten bleibt, betrachtet er skeptisch. »Es ist nur eine Empfehlung«, sagt er. Die jüngsten Statements von RWE lassen ihn auch nicht zuversichtlicher werden. Der Konzern will Abbaugrenzen und Böschungen überprüfen. Eine Zusage für den Bestand des Waldes gibt es vom Energiekonzern nicht.

»Eine Grund aufzuhören gibt es für mich nicht«, sagt Gonzo. Er fürchtet, der Kohlekompromiss könne die Aufmerksamkeit vom Thema Braunkohle nehmen. Ähnliches sei nach dem Beschluss zum Atomausstieg auch passiert. Da seien nur die »in Auführungsstrichen Hardcore-Aktivisten« übrig geblieben.

Ob es weitere Räumungen geben wird, da ist sich Gonzo unsicher. Es könne sein, dass gewartet würde, bis weniger Menschen auf den Wald schauen und dass die Räumungen kleiner ausfallen. Aber im Prinzip müsse jeden Tag damit gerechnet werden. NRW-Innenminister Herbert Reul warnt die Besetzer schon vorsorglich. Der Reheinischen Post sagt er es sei »wenig hilfreich, wenn jetzt ausdrücklich zu weiteren Besetzungen aufgerufen werde. Es stelle sich die Frage, ob es um die Natur oder «schlicht um Krawall» gehe.« Die NRW-Grünen fordern Ministerpräsident Armin Laschet stattdessen zum Runden Tisch mit den Waldbesetzern auf.

Die Ökopartei will außerdem, dass Laschet seinen Worten auch Taten folgen lässt. Ein angekündigter Dialog mit den Menschen aus den Umsiedlungsdörfern sei gut. Das Ziel müsse sein, »möglichst vielen Menschen die Heimat zu erhalten«, so Mona Neubaur, Vorsitzende der Landesgrünen und Monika Düker, Vorsitzende der Fraktion im Landtag. Ein Dorf, für das es schon zu spät sein könnte, ist Manheim im Südosten des Hambacher Waldes. »Manheim wurde während der Tagung der Kohlekommission unter Hochdruck in großen Teilen abgerissen, Strukturen wurden unwiederbringlich zerstört«, erzählt Silvia Büsseler, die mit ihrer Familie noch in dem Dörfchen lebt.

Viel mehr als der Ortskern, mit der markanten Kirche, steht nicht mehr. Büsseler findet es »unbegreiflich«, dass die einzelnen Dörfer nicht im Abschlussbericht der Kohlekommission erwähnt werden. Jede Person und jedes Dorf könnte nun ein eigenes Szenario entwickeln. »Das ist für den gemeinsamen Widerstand das denkbar Schlechteste, was passieren kann. Die Dörfer sind ohnehin schon zerrissen zwischen Aufgeben und Bleiben«, zeigt sich Büsseler pessimistisch. Im Oktober müssen sie und ihre Familie ausgezogen sein. Sie werden dann in dem Umsiedlungsdorf Neu-Manheim wohnen.

Grau, kalt und nass ist nicht nur das Wetter Rund um den Tagebau Hambach. Die Stimmung ist trübe. Die Formulierung der Kohlekommission zum »Hambi« sei »butterweich«, meinen die Aktivisten im Wald. Der Wald sei nicht sicher gerettet. Manheim derweil ist so zerstört, dass selbst wenn die Bagger jetzt stehen bleiben würden, ein normales Dorfleben nur schwer vorstellbar ist. In Morschenich an der Westseite des Waldes weiß man überhaupt nicht, wie es weitergeht. Die Fragezeichen und Konflikte haben mit dem Kompromiss der Kohlekommission nicht abgenommen.

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