- Politik
- Seenotrettung
Migranten können »in den kommenden Stunden« die Sea Watch 3 verlassen
Italien einigt sich mit sechs Staaten über Aufnahme der Flüchtlinge an Bord des Rettungsschiffes
Rom. Die Hilfsorganisation »Sea-Watch« hat die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte befürwortet, wonach Italien die Grundversorgung der Flüchtlinge an Bord des Rettungsschiffes »Sea-Watch 3« sicherstellen muss. »Wir begrüßen die Entscheidung aus Straßburg, da sie zeigt, dass das Gericht eine Verletzung grundlegender Rechte durch die Blockade der 'Sea-Watch 3' feststellt«, sagte der »Sea-Watch«-Vorsitzende Johannes Bayer am Mittwoch. Dies sei aber nicht genug: »Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verlangt Brot und Wasser. Wir verlangen das Ende dieser politischen Geiselnahme.«
Das Straßburger Gericht ordnete am Dienstagabend die Versorgung der Migranten mit dem Nötigsten an. In der Entscheidung hieß es, Italien müsse so schnell wie möglich Lebensmittel, Wasser und medizinische Unterstützung für die Menschen an Bord des Schiffes zur Verfügung stellen. Die Regierung in Rom verwehrt dem Rettungsschiff die Einfahrt in einen italienischen Hafen, weswegen die deutsche Hilfsorganisation »Sea-Watch« am Freitag das Gericht einschaltete.
Italien sei nicht verpflichtet, die Menschen an Land gehen zu lassen, hieß es in der Entscheidung weiter. Den 15 unbegleiteten Minderjährigen müsse allerdings Rechtsberatung zugestanden werden. Zudem solle die italienische Regierung den Gerichtshof regelmäßig über den Zustand der Menschen an Bord informieren.
Die »Sea-Watch 3« hatte vor eineinhalb Wochen 47 Flüchtlinge im Mittelmeer aus Seenot gerettet und hat noch immer keine Anlandungserlaubnis. Die Hilfsorganisation spricht von einer akuten menschenrechtswidrigen Situation. Die Gesundheits- und Sicherheitslage der Migranten verschlechtere sich zunehmend, teilte »Sea-Watch« mit. »Die Hoffnung nach der Rettung ist totaler Depression und Verzweiflung gewichen«, sagte Frank Dörner, Schiffsarzt der »Sea-Watch 3«. Einige Menschen hätten aufgehört zu essen, andere seien so traumatisiert und depressiv, dass suizidale Tendenzen nicht ausgeschlossen werden könnten. »Die vorläufigen Maßnahmen sind ausgeschöpft, wir brauchen einen sicheren Hafen.«
Für die auf der »Sea Watch 3« ausharrenden Flüchtlinge zeichnete sich derweil eine Lösung ab. Deutschland, Frankreich, Portugal, Rumänien und Malta erklärten sich italienischen Medienberichten vom Mittwoch zufolge gegenüber dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte zur Aufnahme der 47 Bootsflüchtlinge bereit. Die Migranten, darunter acht Minderjährige, könnten »in den kommenden Stunden« in Italien an Land gehen.
»Wir freuen uns, wenn die europäische Geiselhaft beendet wird«, sagte Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer der Nachrichtenagentur AFP. Trotzdem sei es »ein bitterer Tag« für Europa, »weil erneut die Menschenrechte von EU-Verhandlungen abhängig gemacht worden sind«.
Innenminister Matteo Salvini begrüßte die Aufnahmebereitschaft der fünf Länder. »Das war unser Ziel, das bedeutet, dass unsere Linie sich auszahlt«, erklärte der stellvertretende italienische Regierungschef. Italien will das Schiff der deutschen Hilfsorganisation nur dann in einen Hafen lassen, wenn andere Länder die an Bord befindlichen Migranten aufnehmen. Für die Flüchtlinge wurden unterdes eine Chemietoilette, Schlafsäcke, Decken, Pullover und Waschzeug auf die »Sea Watch 3« gebracht. Agenturen/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.