Guantanamo Bay an der Maas

Neue Gefängnisschiffe für Abschiebehäftlinge

  • Tobias Müller, Amsterdam
  • Lesedauer: 2 Min.
Abschiebehaft wird in den Niederlanden zunehmend zu einem parallelen Justizsystem. Die Unterbringung der Betroffenen auf Schiffen macht die Auslagerung auch räumlich sichtbar.
Rund 3000 Plätze stehen in den Niederlanden in Kürze zur Verfügung, um Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung zu internieren. Mehr als die Hälfte davon auf Schiffen. Neben der im Mai in Gebrauch genommenen »Bibby Kalmar« im Hafen von Dordrecht sollen im Sommer zwei weitere Schiffe im nordholländischen Zaanstad »in Dienst« genommen werden. Die ersten beiden schwimmenden Gefängnisse liegen seit 2004 und 2005 in Rotterdam. Mit den drei neuen werden die Kapazitäten erheblich erweitert. Die Einrichtung eines solchen Schiffes ist deutlich billiger und einfacher als der Bau eines festen Gefängnisses. Das Verfahren folgt damit dem Trend des möglichst kostengünstigen Aufbaus zusätzlicher Haftkapazitäten, der die Verschärfung der niederländischen Einwanderungspolitik in den letzten Jahren kennzeichnet. Zudem kommt darin die Sonderstellung der Abschiebehaft zum Ausdruck, die nicht dem eigentlichen Strafrecht unterliegt. Die Ordnung regulärer Haftanstalten ist damit außer Kraft gesetzt: Es gibt keine Häftlingskommissionen, Beschwerdebriefe werden oft einfach entsorgt, Schikanen - darunter die willkürliche Einweisung in Isolierzellen - sind nach Aussagen zahlreicher Häftlinge an der Tagesordnung. Klagen gibt es auch über das Fehlen jeglicher Privatsphäre und miserable medizinische Versorgung. Kritiker nennen dieses parallele Vollzugssystem auch »Guantanamo Bay an der Maas«. Auf den neuen Schiffen ist nach Auskunft des Justizministeriums einiges verbessert worden, auch sei die Sicherheit der Häftlinge gewährleistet. Mehrere Kommissionen hatten die alten Gefängnisschiffe diesbezüglich gerügt. Manche der Haftbedingungen sind jedoch durchaus politisch gewollt, hat doch die Abschiebehaft vor allem einen Zweck: Abschreckung. Untersuchungen zufolge werden nur rund ein Drittel der Inhaftierten tatsächlich abgeschoben, der Rest muss mangels Papieren wieder frei gelassen werden - meist bis zur nächsten Kontrolle. Dennoch ist die durchschnittliche Haftdauer mit 80 Tagen heute doppelt so lang wie vor zehn Jahren. Aufenthalte von einem Jahr sind keine Seltenheit. Zwar begrenzte ein Gerichtsurteil im Frühjahr die Haftdauer auf sechs Monate, doch gilt dies nur für Häftlinge, die an der eigenen Abschiebung »mitarbeiten«. Der Ausbau der Kapazitäten geht auch auf ein Abkommen zurück, das die niederländische Polizei letztes Jahr mit Innen- und Ausländerministerium schloss. Gemäß diesem »Leistungsvertrag« sollen in diesem Jahr 40 000 potenziell »Illegale« kontrolliert und möglichst 12 000 interniert werden. Im »Erfolgsfall« winkt der Polizei eine Gehaltszulage.
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